Faith (German Edition)
wohl gelandet waren? Hatten sie sich retten können?
Über ihr kreisten schwerelos zwei herrliche Vögel.
Sie legte den Kopf in den Nacken und verfolgte eine ganze Weile den Flug der beiden. In eleganten Bögen kamen sie immer näher, so nah, dass sie in ihre weiß umrandeten Pupillen blicken konnte.
In Faiths Kopf entstanden Bilder. Sie sah ein Boot am Strand. Daneben saßen Jamal und Adam. Schwarzer Sand, der über weiche Dünen zu grünen Terrassengärten führte. Blauer Himmel, Äcker und Wiesen, weidende Rinder, ein gewaltiges Flussdelta.
Langsam stiegen die Adler wieder. Zum Abschied ertönte ein zweifacher lang gezogener schriller Schrei, der Faith seltsam getröstet zurückließ.
Sollte das eine Nachricht gewesen sein?
Oder war ihr dringlicher Wunsch, dass den beiden nichts geschehen sein möge, der Auslöser für die beruhigenden Bilder von den Freunden am Strand?
Faith seufzte, sie musste, bevor sie ging, noch einmal die Reifen aufsuchen.
Die alte Frau, die so wunderbar Harfe spielte, hatte ihr etwas sagen wollen. Nicht umsonst hatte Annabelle die Frau so angefahren und ihr so respektlos den Mund verboten. Es gab etwas, etwas, das Lisa und sie nicht erfahren sollten, da war sie sicher.
Die Gelegenheit dazu war günstig. Annabelle war auf einem ihrer weißen Pferde mit ihren Silberfüchsen in die Ebene geritten.
Das Land wurde zunehmend grüner und sah viel gepflegter aus als bei ihrer Ankunft.
Zwar stießen die kleinen schlammigen Trichter immer noch weißlichen Dampf aus, aber das schien das Wachstum der Büsche mit den blauen Beeren nicht zu beeinträchtigen. Der modrige Untergrund war trockengelegt worden.
In der Nacht wurde die ganze Gegend von Kobolden bewässert, auf diese Weise konnte das Wasser nicht unter der Sonne sofort wieder verdunsten.
Was Faith nicht wissen konnte, war, dass eine der Forderungen Annabelles für ihre Auslieferung an Leathan bereits Stück für Stück erfüllt wurde.
Leathan hatte einen der Flussarme umgeleitet. Damit hatte er seiner Schwester das Zeichen gesandt, dass er mit ihren Bedingungen für die Übergabe von Faith einverstanden war.
Sie stand auf und streckte sich. Ihr Nacken schmerzte. Sie hatte das Training mit Pfeil und Bogen in den letzten Tagen übertrieben. Sie sollte, bevor sie zu Leathan aufbrach, mit Lisa noch einmal die warmen Bäder aufsuchen, die ihnen jederzeit zur Verfügung standen.
Aber jetzt schritt sie die Freitreppe hinunter.
Der Kies knirschte unter ihren Füßen. Das sanfte Honiggelb der Außenmauern flirrte in der Sonne. Unterbrochen von Hunderten Fenstern wirkten sie beinahe filigran, nur von zierlichen Säulen getragen. „Lisa“, dachte Faith, „hat ihr wirkliches Leben fast vergessen.“ Hingebungsvoll beschäftigte sie sich mit den Schönen Kindern, tobte mit ihnen am Strand oder ritt mit Elfen und Feen über die abgeernteten Felder und über den federnden Waldboden flimmernder heller Birkenwälder, auf den Sonnenstrahlen Schatten malten. Ihre Freundin genoss dieses Leben in vollen Zügen und schien sich der Gefahr, in der sie sich befand, überhaupt nicht mehr bewusst zu sein.
Der Verdacht, dass Annabelle daran nicht ganz unschuldig war, verstärkte sich bei Faith.
Noch hatte sie keinen Beweis dafür, dass Lisa, ähnlich wie die Reifen, ruhiggestellt wurde, aber sie wirkte auf Faith manchmal seltsam abwesend.
Das Bild, das sich ihr jetzt bot, war wirklich zauberhaft und täuschend friedlich.
Die Schönen Kinder hockten mit Lisa und einigen Elfen und Feen im Sand.
Alle waren eifrig damit beschäftigt, Wasser durch kleine Kanäle in eine gewaltige Sandburg zu leiten. Das Spiel nahm sie völlig gefangen.
Faiths Ankunft bemerkten sie nicht. Vor dem sandfarbenen Strand und dem azurblauen Meer wirkten die in helle Stoffe gekleideten Gestalten so, als seien sie Teil eines sommerlichen Gemäldes. Lisa sah auf. Als sie Faith wahrnahm, stand sie auf.
„Komm, es ist herrlich hier. Spürst du den warmen Wind? Und schau die Kinder an, sind sie nicht süß?“
„Nein, du musst mit mir kommen, Lisa. Ich will noch mal zu den Reifen gehen.“ Faith senkte die Stimme und zog Lisa weiter von der Gesellschaft fort.
„Ich glaube, dass die alte Frau uns etwas sagen wollte, bevor Annabelle uns da rausgeholt hat. Etwas, was wir nicht wissen sollen.“
„Ach was, du siehst schon Gespenster. Annabelle ist ganz nett, ich glaube nicht, dass sie Böses im Sinn hat.“
Lisa sah zu den spielenden Kindern und hatte offensichtlich nicht die
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