Faith (German Edition)
Absicht, sich in ihrem Spiel unterbrechen zu lassen. Sie holte eine kleine Tüte aus der Tasche und bot sie Faith an.
„Was ist das?“
In der Tüte lagen runde safrangelbe Kekse.
„Das sind Ingwerkekse, sie schmecken köstlich. Probier mal.“
„Du weißt, dass ich Ingwer nicht ausstehen kann.“
Lisa stopfte sich eine Handvoll Kekse in den Mund und verstaute die Tüte wieder.
Faith überlegte. Sie und Lisa aßen immer zusammen, wenn also etwas im Essen war, das da nicht reingehörte, müsste sie selbst das auch zu sich genommen haben.
Dies Ingwergebäck allerdings würde sie nicht anrühren, während Lisa geradezu süchtig danach war.
War es möglich, dass das Zeug an Lisas verändertem Verhalten schuld war?
„Lisa, hör mir mal zu: Die Kinder laufen nicht weg. Die sind nachher auch noch da. Aber jetzt ist die Gelegenheit günstig, heimlich zu den Reifen zu gehen. Annabelle ist weg und wird es gar nicht bemerken.“
Aber Lisa hörte nicht mehr zu.
Sie ließ Faith einfach stehen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass ihre Freundin nicht mehr sie selbst war, dann war es dieses Verhalten. Faith sah Lisa traurig hinterher.
„Vielleicht“, sagte sie sich, „ist es sogar besser, Lisa weiß nichts von Annabelles Plänen. So wird sie keinen Verdacht schöpfen und keine Angst bekommen. Sie muss Annabelle nicht die Ahnungslose vorspielen, weil sie ahnungslos ist.“
Eine Weile stand Faith unschlüssig und sah dem Treiben am Strand zu. Dann drehte sie sich entschlossen um.
Sie eilte über die dem Meer zugewandte Terrasse durch Annabelles Räume.
Sie hatte kaum einen Blick für die kostbare Ausstattung. Aber ein Detail fiel ihr doch ins Auge. Zwei kleine Figuren aus hellgrüner Jade standen auf einer schweren Platte aus purem Gold.
Sie blieb stehen, um sich die zarten Figürchen anzusehen. Die Statuetten waren wunderbar gearbeitet, die Augen sahen Faith so intensiv an, als seien sie lebendig.
Die weibliche Figur streckte die Hand fordernd nach ihrem männlichen Ebenbild aus, das um den Hals eine zierliche Kette trug, an der ein winziges, geschlossenes Medaillon hing. Diese männliche Figur hatte die Hand auf die Brust gelegt, als wolle sie das zauberhafte Medaillon schützen. Faith hatte nie schöneren Schmuck gesehen. Kleine, sternförmig geschliffene Diamanten auf einem Netz von Gold und Platinfäden.
„Rühr sie nicht an!“
Annabelle stand in der Tür. Wut loderte in ihren Augen.
„Ich hab nichts getan! Ich war am Strand und sah, dass die Türen offen standen. Ich dachte, ich könnte ebenso gut durch diesen Eingang in mein Zimmer gehen.“
„Dann geh jetzt! Ich will, dass du morgen früh aufbrichst, es wird Zeit. Leathan erwartet dich. Wenn du es geschickt anstellst, kannst du zurück sein, bevor es für Lisa zu spät ist.“
„Ich kenne den Weg zu Leathan nicht und weiß nicht einmal, wonach ich suchen soll. Wie stellst du dir das vor?“
„Du bekommst eines meiner Pferde, außerdem wird dich jemand begleiten. Nun geh und pack deine Sachen.“
Faith konnte nicht widerstehen, sie drehte den schimmernden Stein auf ihrem Ring und Annabelle stand reglos. Sobald sie den Stein losließ, hörte der Zauber auf zu wirken. Unauffällig drehte Faith den Stein nach innen und versuchte, ihn mit einem Finger derselben Hand zu drehen. Und wieder stand Annabelle wie versteinert. Während sie den Stein in ihrer Handfläche unablässig bewegte, nahm sie das Medaillon vom Hals der Jadefigur in die andere Hand. Es schnappte in der Sekunde auf, als sie es berührte. Faith starrte das Bildnis an, das ihr daraus entgegensah.
Patricias Rache
Es war auf Patricias Initiative zurückzuführen, dass vier Mal im Jahr die Schülerzeitschrift Exquisit herauskam. Durch die Unterstützung ihres Vaters war sie die wahrscheinlich einzige Hochglanzschülerzeitung, die die Welt je gesehen hatte. Sie hatte das Format der Vogue.
Die Zeitschrift bestand vorwiegend aus uninteressanten Beiträgen zu Modetrends, die Patricia beisteuerte, und wesentlich interessanterem Tratsch, den auch Patricia beisteuerte.
Natürlich durften auch andere Schüler ihre Artikel einreichen, ob sie angenommen und gedruckt wurden, entschied die Chefredakteurin, also wiederum Patricia. Regelmäßig war einer von Laras hervorragenden Comics zu sehen, der auch in dieser ersten Ausgabe des Jahres das Beste war, was die Zeitung zu bieten hatte.
Die Fotos, die, farbig gedruckt, die Texte auflockerten, waren fast alle von Patricia. Sie
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