Faith (German Edition)
wieder hinüber schwimmen. Die Sonne wird gleich hinter den Horizont fallen und dann gibt’s keinen Schimmer mehr von Licht.“
„Komm lass uns nur einmal schnell um das Gebäude herumgehen. Es sieht verlassen aus.“
Kaum hatte Ben seinen Satz beendet, drangen fremdartige Töne zu den Jungen. Anziehend und süß lockte die Musik. Ben und Richard konnten nicht widerstehen.
Die Sonne war mit dem ersten Ton der Musik untergegangen, gleichzeitig leuchteten aus den Rundbogenfenstern des Gebäudes bunte Lichter auf. Die Jungen schlichen sich vorsichtig im Schutz der Dunkelheit an das Türmchen heran und versuchten, hineinzusehen.
Die farbigen Lichter verwandelten den Innenraum in ein riesiges, blinkendes Kaleidoskop. Zur Musik bewegten sich phantastische Wesen so undurchsichtig wie aufziehender Nebel.
Kaum waren ihre Umrisse deutlich geworden, schmolzen sie und lösten sich auf, um sich erneut zu festigen. Sie bewegten sich perfekt im Takt der Musik und veränderten unaufhörlich ihre Gestalt.
Einige trugen Fischköpfe auf den Schultern. Aus den undeutlichen Umrissen wuchsen Flossen und Krakenarme, die, kaum aufgetaucht, wieder zerflossen. Dann wieder erschienen sie wie weibliche Wesen mit roten lockenden Lippen. Nixen in den schuppigen Armen grüner Wassermänner.
„Wir müssen sofort zurück“, flüsterte Richard.
„Das sind Chimären . Sie verwandeln sich unaufhörlich. Wenn sie erst mal im Wasser sind, haben wir keine Chance, ihnen zu entkommen.“
Riesige Fackeln entzündeten sich überall auf der kleinen Insel und tauchten die Umgebung in flackerndes, helles Licht.
„Schnell“, keuchte Richard und riss Ben mit sich fort.
In wilder Flucht hasteten die beiden über den Sand und stürzten sich in das nachtschwarze Wasser.
Ben konnte nichts sehen, hörte aber Richards lange Atemzüge.
Er blieb dicht bei ihm, um sich nicht in der Schwärze zu verlieren. Richard hatte mit seiner Begabung, auch im Dunkeln sehen zu können, keine Probleme, das andere Ufer zu finden.
Aber ihre Flucht war nicht unbeobachtet geblieben. Die nebelhaften Gestalten warfen sich hinter den beiden ins Wasser. Hier, in ihrem wahren Element, verwandelten sie sich in gewandte schnelle Schwimmer.
Ihre fluoreszierenden grünen Schuppenkleider leuchteten in der Tiefe unter den beiden Jungen.
Ben kannte Nixen und Wassermänner nur aus Märchenbüchern, hier waren sie real und lebensbedrohend.
Mit kraftvollen Schlägen ihrer langen Fischschwänze versuchten sie, die Jungen zu erreichen.
Ben und Richard schwammen um ihr Leben. Wenn sie von ihren Verfolgern unter Wasser gezogen würden, wären sie verloren.
Ben erreichte das Ufer vor Richard.
Als er sich umdrehte, um dem Freund ans Ufer zu helfen, sah er, dass eine der Chimären Richard fast erreicht hatte. Im letzten Moment erwischte Ben den Freund an den Armen und zog ihn mit einem heftigen Ruck aus dem Wasser.
Das aufgepeitschte Wasser des Sees beruhigte sich nur langsam. Lange noch schwappten aufgebrachte Wellen an Land.
Die leuchtenden Schuppen der Wechselwesen waren noch eine Weile zu sehen. Sie bewegten sich unruhig und kreisten gierig lauernd am Grund, bis sie endlich ganz verschwanden. Ben erwachte aus seiner Erstarrung.
„Ich friere, weißt du, wo unsere Kleider liegen?“
Er klapperte mit den Zähnen und konnte nicht die Hand vor Augen sehen.
Mit den leuchtenden Körpern der Chimären war auch das blasse grüne Licht gegangen, das die Umgebung notdürftig erhellt hatte.
Richard sah um sich. Er war sicher gewesen, die Stelle gefunden zu haben, an der sie in den See gestiegen waren. Pfeil und Bogen hatte er in der Nähe, im tieferen Gras, versteckt.
Er ging ein paar Schritte vom Seeufer weg und fand den Bogen und die Pfeile. Aber wo war der Rest ihrer Sachen? Es wurde immer kälter und sie hatten nichts anzuziehen, na prima. Das hätte ein schöner Tag sein können. Richard spitzte die Ohren. Waren sie nicht allein?
Er meinte, ein Geräusch gehört zu haben. Auch Ben stand bewegungslos und lauschte.
„Ich habe ein Geschenk für euch,“ flüsterte eine kindliche Stimme, die vor unterdrücktem Gelächter bebte. Neben Ben fielen seine Kleider wie reifes Obst zu Boden. „Oh, die hab ich vergessen.“ Damit legte sich ihm noch seine Hose über den Kopf, gefolgt von einem Schuh, der ihn an der Schulter traf.
„Mist, verdammt, wer ist das?“
Er hörte leises Flügelschlagen. Über ihm flog ein grinsender kleiner Elf davon. Aber den konnte Ben nicht sehen.
„Das
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