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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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Danas Hof in
einen Hundehaufen getreten.
    - Muß ich
irgendwie abwaschen, sagte sie und ging schnurstracks zum Spültisch.
    Niemand
hielt sie auf, niemand sagte etwas, Dana schon gar nicht. Ich wollte eine Weile
nicht glauben, daß das, was diese Frau möglicherweise vorhatte, tatsächlich
passieren würde. Im Abwaschbecken lagen noch ungewaschene Teller und Bestecke.
Die Frau drehte den Wasserhahn auf und ließ den Dreck von ihrem Schuh
herunterlaufen und herumspritzen. Der ursprüngliche Tellerdreck erstrahlte kurz
in seiner gerade beendeten Noch-Eßbarkeit. Man hätte es als eine anschließende
Rache bewerten können, daß die Gemüsesuppe, die Dana ganz und gar unschuldig zu
kochen begann, voller seltsamer kleiner Nudelchen war - für Teigwaren sah diese
Einlage aber viel zu organisch, um nicht zu sagen lebendig aus. Als ich beim
Essen begriffen hatte, daß es sich um Würmer handelte, kippte ich meinen Teil
der Wurmkolonie in den Ausguß - also zu den inzwischen fast vergessenen
Kotspritzern. Allerdings mußte ich die anderen Gäste zu Ende essen lassen.
    Nebenbei
hatte ich wenigstens Zeit, die Würmerquelle zusuchen. Die Reste der Brut fand
ich schließlich im Gefäß mit getrocknetem Wurzelgemüse. Die Würmer zappelten
nicht, waren irgendwann mitdehydriert worden. Die gutgewürzte Suppe wurde von
allen gelobt. Daß Dana ihre Gäste bewirtete, war an sich eine Ausnahme.
Normalerweise kümmerte sie sich um nichts weiter, wenn Besuch kam. Sie wartete
eher, bis die Leute ihre Verpflegung und/oder auch Unterbringung selbst in die
Hand nahmen - und beobachtete interessiert, wie unterschiedlich sie es taten.
    Die vielen
organischen Reste, die in der Küche überall gut erreichbar lagerten, lockten
seit langem unterschiedliche Ameisenvölker ins Haus. Ihre Wander- und
Umzugsrouten wurden regelmäßig frequentiert, und die Streckenführung quer durch
die Räume blieb relativ konstant. Wenn im Abwasch etwas Leckeres übriggeblieben
war, nahmen die Ameisen gern auch einen größeren Umweg in Kauf. Hinterher war
alles blitzblank. Besonders rege waren die winzigen Pharaoameisen - und diese
kamen eines Tages sogar direkt aus dem Ausguß gekrochen. Dana unternahm auch
gegen diese Plage nichts weiter, da sie von anderen Heimgesuchten Bescheid
wußte:
    - Die wird
man sowieso nicht los.
    Daß mich
Danas Hygiene-Ignoranz anfangs so anzog, wurde mir langsam unheimlich. Bei uns
zu Hause wären manche Dinge nie möglich gewesen, nie zugelassen worden. Eines
war bei der Anzahl von Frauen allerdings nicht zu verhindern - bei uns wurde
dauernd menstruiert, pausenlos sah man irgendwo breitgeklatschte Blutstropfen
liegen, und mir hatte diese - kriegsbedingte, dachte ich - Bluterei früher so
viel Angst gemacht, daß ich über ihre fortpflanzungstechnische Seite lange
nichts wissen wollte. Dabei war sie mir irgendwann diffus erklärt worden. Trotz
(oder wegen?) der harten Lager jähre - in der Zeit blieb die Menstruation
grundsätzlich weg - bluteten manche der Damen bis ins hohe Alter, jedenfalls
überraschend lange.Eine wirklich scheußliche Angelegenheit passierte bei uns zu
Hause nur ein einziges Mal. Schuld daran war allerdings die von den Tschechen
übernommene Leidenschaft für Kuttelflecke. Die zerklüfteten Kutteln stammen
bekanntlich aus dem ersten Rindervormagen, dem Zottenmagen. Dort finden zwar
zum Glück lediglich die ersten Zersetzungsprozesse statt, trotzdem müssen die
Kutteln ordentlich gewaschen werden. Großmutter Lizzy war einmal etwas
verträumt und warf die Kutteln, die vom Schlachter nur grob abgespült worden
waren, leider gleich ins kochende Wasser. Die Suppe wollte später allen, die
sich für sie angemeldet hatten, nicht so recht schmecken. Nachdem das
Geschmacksproblem analysiert worden war, einigte man sich auf eine positive,
egal wie halbkorrekte Abschlußformel:
    - Jetzt
wissen wir wenigstens, wie Scheiße schmeckt.
    Unter Dana
litten leider auch alle ihre technischen Geräte, sie waren ausnahmslos in einem
fürchterlichen Zustand. Wenn ich bei ihr war, konnte ich den Anblick
verwackelter Steckdosen oder entblößter Kabelenden nicht ertragen, auch nicht
die Geräusche quietschender Kugellager oder klemmender Türen. Deswegen werkelte
ich bei ihr andauernd herum. Es machte mir zwar auch etwas Spaß, die Mühe war
im Grunde aber vergeblich, der Allgemeinzustand des Hauses besserte sich
einfach nicht. Und Dana wollte es offenbar auch nicht anders. Wenn die
Nähmaschine grauenhafte Nähte produzierte, war

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