Faktor, Jan
Dingen bei ihr zu ekeln. Die überall vorhandenen Dreckkulturen
rüsteten weiter auf und waren dabei, auch meine eigenen Körperöffnungen und
Schleimhäute anzugreifen - vollkommen kulturlos.
- Ausfluß
- so etwas hatte ich noch nie! Ist das Ausfluß? Die ganze Sudelwirtschaft, das
Unkonventionelle daran, verlor rapide an Frische und Anziehungskraft. Und ich
sah Danas Keimaufzuchtsfarm immer mehr ihre wenig putzigen Perspektiven an.
Einmal entdeckte ich in der uralten Waschmaschine nasse »saubere« Wäsche, die
Dana vergessen hatte aufzuhängen.
- Wie
lange liegt das Zeug schon drin?
- Hab ich
vergessen ... drei, vier Tage vielleicht.
- Das Zeug
gärt schon. Und stinkt! Hast du überhaupt Waschpulver?
Was im
Haus außerdem stank, waren alle Wisch-, aber auch Waschlappen. Danas Lappen für
die Körperpflege wurden grundsätzlich nie in die Dreckwäsche getan. Außerdem
wurden sie, weil sie nicht luftig aufgehängt wurden, nie richtig trocken. Der
Faulgeruch, den sie nach einer gewissen Zeit verbreiteten, war immer der
gleiche. Nach der Theorie von Dana wuschen sich die Lappen bei der Säuberung
der Körperoberfläche selbst mit. Dank Seife, Reibung und gründlicher Spülung
seien sie die Sauberkeit selbst, meinte sie. Daß die Lappen voller abgeschabter
Hautpartikel, Hautfett, Hautbakterien sein mußten, ließ sie nicht gelten. Ich
versuchte es mit kurzen Vorträgen.
- Die
ganze Feuchtigkeit zieht aus dem Bad nicht weg und kondensiert. Und deine
Lappen sind voller Leben, zucken schon. Biologie ist langweilig, einiges habe ich
inzwischen aber mitbekommen.
- Ich
schmeiß die Lappen ab und zu weg. Sie fühlen sich mit der Zeit etwas klebrig
an, vielleicht hast du recht.
- Dein Bad
ist eine einzige Schimmelzelle - dein grüner Salon.Danas Küche sah in der Regel
auch gräßlich aus. Daß Tassen und Teller mehrmals genutzt wurden, war noch das
geringste Problem. Dana ließ auch ungewaschene Töpfe und Pfannen tagelang
herumstehen, bis alle daran klebenden Reste festgetrocknet waren und sich
tatsächlich schwer abwaschen ließen. Das Fett wurde ranzig, verharzte nach und
nach auch auf den Metall- und Holzgriffen. Für den Kampf gegen die diversen
Verkrustungen erfand Dana irgendwann eine naturnahe Methode. Sie trug die
unerfreulichsten Krustenträger zu einem nahe gelegenen Bach, legte sie in die
Strömung und beschwerte sie mit Steinen. Manchmal vergaß sie dort die Töpfe
oder Pfannen tagelang, fuhr weg. Nach starken Regenfällen mußte sie in hohen
Gummistiefeln ihre Küchenausrüstung suchen gehen. Oft waren die einzelnen
Stücke auf Hunderten von Metern verteilt, manche verschwanden in verschlammten
Biegungen des Baches für immer. Danas Reinigungsmethode hatte noch einen
Schwachpunkt: Im kalten Wasser blieb alles Fette weiter fett, nach dem
Einsammeln mochte man nichts anfassen - man blieb an der Fettschicht regelrecht
kleben. Ich kannte das von meinem Vater.
Danas
Haushalt hatte mich früher allerdings auch mit beglückenden Erlebnissen
beliefert - mit Zeugnissen der fluidalen Selbstreinigung beispielsweise. Ich
hatte beobachtet, daß die allgemeine Verdreckung nicht so stark anwuchs, wie
sie aufgrund des ständigen Neuzuwachses theoretisch hätte wuchern müssen. Ein
Teil des Drecks war mit der Zeit doch verschwunden - irgendwann, irgendwohin,
ohne jegliches Fegen, Wischen oder Wienern, ganz und gar unauffällig. Die in
Ruhe gelassenen Dreckpartikel verteilen sich offenbar eigenständig, setzen sich
neu zusammen - und diejenigen, die sich gerade in einem Bewegungs- oder
Transformationsprozeß befinden, werden gerechtigkeitshalber nicht zum Dreck
gezählt. Während der umfangreichen Selbstreinigungsprozeduren werden die
eigentlichen Dreckpartikel notgedrungen dauernd zerdrückt, eingerieben,
weitergereicht - oder sie fressen sich eigenständig in irgendwelche geheimen
Verstecke ein. Nebenbei werden sie ab und zu abgeleckt, eingezutscht,
resorbiert, bei gegenläufigen Aktivitäten wiederum sauber ausgeschieden,
aufnahmefreudig verdünnt, verlustreich pulverisiert - und sie fliegen
anschließend mit irgendwelchen Vögeln als Kot in Richtung Mittelmeer. Mit
diesem reinigenden Abtransport beziehungsweise der oberflächenaktiven
Tiefenzirkulation schien es bei Dana irgendwann vorbei zu sein.
Einmal
überraschte uns eine größere Gruppe Bekannter, die Dana spontan besuchen
wollte. Das erste, was wir von diesen Leuten zu sehen bekamen, war ein Schuh
mit einer zertretenen Kackwurst. Eine junge Frau war knapp vor
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