Faktor, Jan
unser Dreckparadies bewachen und
fuhren auf zwei furchterregenden Fahrrädern kurz entschlossen hin.
Vor
einiger Zeit hatte mich der blinde Klaudius auf einige Bildhauer neugierig
gemacht - und auf seine Meinung verließ ich mich gern. Kläda empfing in seinem
Wohnzimmer den ganzen Tag gebildete und hochbegabte Besucher, ließ sich
pausenlos alles Wichtige erzählen, beschreiben, vorlesen. Am Ende eines jeden
Tages wußte er über vieles in der Welt wieder bestens Bescheid. Bei einem
Treffen, das bei meiner Mutter stattfand, sagte er:
-
Seltsamerweise haben wir momentan keine großen Maler. Alle wichtigen
Schriftsteller publizieren nicht oder sind im Ausland, beim Film und im Theater
können auch die begabtesten Leute nicht zeigen, was sie können. Nur die
Bildhauer läßt man noch einigermaßen in Ruhe, und viele davon sind großartig,
gehören wirklich zur Weltklasse.
Er nannte
dann einige Namen, Danas Nachbar war dabei.Dana selbst hatte mir über ihren
Kollegen nie viel erzählt. Sie lebte vollkommen anders als er, die beiden
respektierten einander lediglich - mehr aber nicht. So wußte ich nur, daß der
Gastgeber beruflich zu den nicht vollständig Ausgegrenzten gehörte und
teilweise auch größere offizielle Aufträge bekam. Seine Frau Yvette war
Malerin. Das Gehöft der beiden sollte ein Kleinod und Wunderwerk sein. Der
abseits stehende Bauernhof war aber nicht einfach nur wunderschön, wie man
schon von weitem sehen konnte, er war traumhaft ästhetisch gestaltet und auch
ausgesprochen funktional ausgebaut. In der Scheune gab es zwei Ateliers.
Englischer Rasen bedeckte das ganze Gelände und war auch in den letzten Winkeln
kurz geschnitten und edeldicht. Eine saftige Brennessel für eine
geschmacksfreie Brennesselsuppe sah man nirgendwo. Da und dort standen
Plastiken aus Granit, dazwischen einige aus Holz. Die aus Holz waren riesig,
und obwohl sie nicht gegenständlich waren, wirkten sie bedrohlich wie
fleischfressende Drachen. Kunst entdeckte man überall. Aus dem Dach des
Hauptgebäudes erhoben sich kleine Schreckgestalten - oder ihre Teile wie
Hexenkrallen und Teufelshufe. Bei genauerem Hinsehen waren es aus Ton gebrannte
Einzelstücke, deren Sockel wie Dachziegel geformt waren und sich zwischen die
anderen Dachziegel schieben ließen. Aber auch die Wände des Hauses waren keine
glatten Wände, man entdeckte - vor allem an den Ecken - unterschiedlich
stilisierte Fratzen aus Sandstein. Sie waren fest eingemauert, drum herum war
alles sauber verputzt. Dana zeigte mir einen Kopf, aus dessen Ohr und Auge eine
Flamme herausschoß, mußte mir aber nicht weiter verraten, wer damit gemeint
war.
Auch die
unwichtigsten Nebengebäude waren bestens restauriert und solide mit Hilfe von
Teer, Altöl und Kreide behandelt worden. An allen Außenwänden, auch an diesen
Schuppen hing außerdem etwas Schönes, zur Kunst erhobenes Ready-Gemachtes oder
Gemaltes. Dana und ich schauten uns oft an, ich dachte meistens an ihre grünen
Dreckmänner.
Was uns
bei dem Fest außerdem noch erwartete - also die Hauptattraktion -, konnten wir
anfangs noch nicht ahnen. Der extrem sonnige und warme Frühlingstag brachte die
sonnenverrückte Yvette auf die (spontane?) Idee, daß sich alle ausziehen
sollten. Alle sollten vollkommen nackt herumlaufen, so wie Yvette es auf dem
Grundstück auch oft tat - so oft, wie es nur ging. Es sprach rein praktisch
nichts dagegen. Das Gehöft stand weit genug vom Dorf entfernt, das Grundstück
war groß und außerdem zur Landstraße hin mit dichten Hecken abgeschirmt. Das
nudistische Vorhaben machte trotzdem - wie man mitbekommen konnte - fast alle
verlegen.
Der
Gastgeber war ein bulliges Exemplar von einem resoluten Hammer-, Meißel- und
Stemmeisen-Mann -, und daß er Alkoholiker mit ungesunder Gesichtshaut war, tat
seinem beeindruckenden Äußeren keinen Abbruch. Gefeiert werden sollten
allerdings nicht die beiden Gastgeber als das Hohe Paar - das eigentliche
Ausstellungsstück des Tages sollte eindeutig Yvette sein, Yvette allein. Sie
war viel jünger als ihr Mann und eindeutig das schönste Wesen weit und breit.
An dem Tag sicher die schönste Frau auf Erden, das ideale Traumstück, das man
sich für die Weitergabe der eigenen Gene vorstellen konnte. Und da sie sich als
erste ausgezogen hatte, konnte es jeder beurteilen. Sie war makellos gebaut und
besaß Brüste, an deren Proportionalität und Plazierung alles voller Harmonie
war - wie bei einer griechischen Statue. Ihre Schultern hielt
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