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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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unter ihr Bett
zu kriechen und einen Fuß herauszustrecken. Ihre Schreie waren köstlich. Und
weil sie meine Spaße regelmäßig unbeschadet überstand, wollte ich sie in ihrer
Erschreckbarkeit fit halten. Manchmal hing mein Fuß zur Abwechslung aus einem
Schrank, ein anderes Mal versteckte ich mich hinter einem Vorhang und ließ
meinen Kopf wie ein Erhängter baumeln - die Schlinge des Verlängerungskabels
hielt ich dabei hinter mir mit zwei Fingern fest. Bei meinen Raubzügen durch
die Innenhöfe brachte ich manchmal Teile von Schaufensterpuppen mit - und wie
zufällig lag dann mal ein Arm oder ein Knie auf dem Teppich.
    Manche
dieser kleinen Scherze gefielen meiner Mutter am Ende doch, jedenfalls sprach
sie nie ein eindeutiges diesbezügliches Verbot aus. Als sie mich während eines
Gesprächs mit einem unsympathischen Besucher zu lange nicht beachtet hatte,
zündete ich unter dem Stuhl des Belästigers einkleines Feuerchen an und ging
weg. Leider bekam dabei der nach dem Krieg nicht mitgeflüchtete Perserteppich
einen großen schwarzen Brandfleck verpaßt. Manchmal legte ich meiner Mutter
Zeitungsblätter unter ihr Bettlaken oder versteckte eine Plastiktüte mit kalten
Kieselsteinen unter ihrer Decke. Als sie einmal besonders früh schlafen gehen
wollte, nähte ich schnell ihr Nachthemd am Kopfkissen fest - und beobachtete
unauffällig, wie sie voller Unglauben daran zog und den festen Zusammenhalt
zwischen den zwei so unterschiedlichen Stoffteilen lange nicht fassen konnte.
Sie zog ihr Nachthemd mehrmals hoch, das Kissen kam immer wieder mit. Bei den
Handarbeiten in der Schule lernten wir gerade die Grundzüge des Nähens.
    Meine
Mutter erzählte mir von meinem Vater nicht nur Schlechtes, sie hatte ihn früher
männlich anziehend, charmant und witzig gefunden. Vor der Hochzeit hatte sie
ihn wirklich geliebt. Leider begriff sie schon wenige Minuten nach der
Zeremonie, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Die beiden liefen die Treppe des
Altstädter Rathauses hinunter, und sie fühlte, daß sie diesen Menschen neben
sich nicht lange würde ertragen können. Schon die ersten Monate des Zusammenlebens
waren quälend, alle Tanten mischten sich in die Beziehung ein, mein listiger
Vater dachte sich immer mehr Dienste und Sondereinsätze aus, weigerte sich
grundsätzlich, nach dem Baden seinen abgesetzten Körperdreck aus der Badewanne
zu entfernen oder seine Dreckwäsche in den Wäschekorb zu stecken. Nach einem
halben Jahr fuhr er in seinem Dienstwagen über die damals noch befahrbare
Karlsbrücke und sah dort eine junge Schönheit entlanglaufen. Und die
wunderschöne Frau auf dem Bürgersteig war niemand sonst als seine eigene Frau -
und sie wirkte über alle Maßen glücklich. Mein Vater war von ihr wieder wie
verzaubert. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er schon woanders, seine Geliebte mit
zartblonder Haut und vielen blau durchschimmernden Venenwar bei ihm aber noch
nicht eingezogen - es gab noch ein Zurück. Er rief meine Mutter abends an und
erzählte ihr, wie sie ihn auf der Brücke bezaubert hatte.
    - Du bist
ein Trottel! Ich habe ausgerechnet auf der Brücke beschlossen, mich von dir
scheiden zu lassen.
    In der Grundschule
waren anfangs nur ich und Dschagarow die beiden Scheidungsschandflecke der
Klasse. Viel später trennten sich plötzlich auch Skopkas Eltern - wenn auch nur
räumlich. Dafür aber dramatisch. Mein Vater und meine Mutter hatten sich, wie
mir immer wieder erzählt wurde, vor dem Scheidungsrichter seinerzeit noch
leidenschaftlich geküßt, wonach dieser meinte, so eine schöne Scheidung hätte
er noch nie zelebrieren dürfen. Bei den Eltern von Skopka lief einiges anders
als bei meinen Eltern, der Trennungsgrund war aber der übliche. Frau Skopkovä
wollte nicht akzeptieren, daß ein Prager Mann, der etwas auf sich hielt, nicht
ohne eine Zweitfrau auskommen konnte. Nachdem sie ihrem Langpenisträger auf die
Schliche gekommen war, befahl sie ihm, zu seiner Geliebten zu ziehen - obwohl
sie wußte, daß diese junge Tussi gar keine eigene Wohnung besaß. Weil ihr Mann
sich aber weigerte zu gehen, schmiß sie eines Tages seine Unterwäsche, etwas an
Kleidung und griffbereite Teile seines Papierkrams in offene Kartons, stellte
diese vor die Tür und ließ das Schloß der Wohnungstür auswechseln.
    Als Vater
Skopka heimkam, war er mit der Situation und der unvollständigen Herausgabe
seiner Habseligkeiten furchtbar unzufrieden. Er haute und hämmerte an die Tür,
wütete im Flur und rief in den nächsten

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