Faktor, Jan
mein Freund den ganzen Winter dauernd nur Ski fahren wollten - und
möglichst dort, wo es Skilifte gab -, blieb ich auf der Hütte oft ganz allein.
Drum herum nur Berggipfel und unberührte weiße Flächen. So viel Einsamkeit
würde ich im Leben nie wieder geschenkt bekommen, das war mehr als deutlich.
Der Winter war endlos, und ich hätte ihn gern noch viel länger gehabt, nur für
mich allein.
onkel ONKEL
Wie ich
aus einigen flehenden Briefen aus Prag und gelegentlichen münzenverschlingenden
Telefonaten erfahren hatte, gab es bei uns im Haus einige Veränderungen. In
einen getrennt vermieteten Teil einer Wohnung im ersten Stock zog ein
Geruchsmagier ein. Der Mann war angeblich sehr umgänglich und verwickelte bald
einen nach dem anderen in lange Gespräche. Seine gewinnende Distanzlosigkeit
war für alle ein Novum. Der Mann wußte bald über viele private Angelegenheiten
gut Bescheid, beriet den einen oder anderen bei persönlichen Entscheidungen,
war trotz alledem aber nicht indiskret. Das Besondere an ihm war, daß er alle
Bewohner des Hauses bald auch dem Geruch nach unterscheiden konnte. Ich
persönlich bildete mir ein, ein sensibles Medium für Gerüche zu sein, und ich
kannte viele schockartige Geruchserlebnisse - mit diesem Mann, der sich zu
Demonstrationszwecken sogar auf Tests und Blindversuche einließ, hätte ich mich
aber auf keinen Fall messen können. Zum Erkennen einer Person reichte ihm - wie
einem Hund - nur ein Kleidungsstück, und angeblich bekam er beim Schnuppern
sogar einen hündischen Gesichtsausdruck. Onkel ONKEL wurde zu seinem
vertrautesten Mitbewohner und zum wichtigsten Berichterstatter über seine
Riechkunst. Onkel war mehrmals dabei, als dieser Mensch im Treppenhaus erriet,
wer kurz vor ihm hochgestiegen war. Er benäselte kurz das Geländer und die
Treppe, segelte mit seinen Nüstern auch in den höheren Luftschichten - und
nannte den Namen.
Sein
großer Kummer war, daß er keine eigene Toilette hatte und sie weder in sein
Zimmer noch in seine kleine Abstellkammer einbauen lassen konnte. Er hatte nur
eine Waschnische im Flur, seine Toilette war auf der anderen Seite des
Treppenabsatzes und wurde auch von einer anderen Partei genutzt. Der
handwerklich unterbeschäftigte Onkel ONKEL empfahl sich ihm als der richtige
Mann für derartige Spezialaufträge.
- Ich
werde mir schon etwas einfallen lassen.
- In
meinem Strang gibt es aber nur ein dünnes Abflußrohr, und das würde verstopfen.
- Das
Problem kenne ich natürlich.
Diesmal
machte Onkel ONKEL alles richtig. Er konstruierte für den Mann einen
handbetriebenen Kack- & Toilettenpapiermixer mit Schneckenbeförderung. Das
angeschaffte Klosettbecken wurde nach einigen unumgänglichen Vorarbeiten auf
ein erhöhtes Podest gestellt und wirkte dort - auch dank eines auffälligen
Aufklebers - angeblich wie ein Kunstobjekt. Auf dem Aufkleber stand »SERVICE«,
und ich konnte mir lange nicht vorstellen, daß es ausgerechnet mein Onkel war,
der sich diesen Scherz erlaubt hatte. »SER VICE« heißt auf Tschechisch nämlich
»scheiß mehr«.
Nach dem
Entleeren festgepreßter Substanzen reichte es natürlich nicht, nur die Spülung
zu betätigen. Man stieg vom Podest herunter und mußte beim Spülen gleichzeitig
an einer Kurbel drehen. Das war dann aber auch alles. Onkels Mixmaschine nutzte
das natürliche Gefälle und litt nicht an Rückstauproblemen - ihr Mechanismus
war absolut zuverlässig. Die verfeinerte Jauche wurde mit sanfter Gewalt der
rotierenden Schnecke einfach in das alte dünne Abflußrohr geleitet. Es handelte
sich tatsächlich um eine innovative Leistung ersten Ranges - industriell
gefertigte Anlagen für den Hausgebrauch gab es damals noch nicht. Für den
Geruchskünstler brachte die Einquartierung einer Toilette zwar unangenehme
Gestanksattacken mit sich, trotzdem aber eine ungeheuere Steigerung seiner
Lebensqualität.Heute tragen solche Geräte die euphemistische und vollkommen
sach-entfremdete Bezeichnung »Hebeanlage«. Jeder, der seine gemixten Exkremente
heben lassen will, kann diesen Akt der Erhebung an die elektrisch angetriebenen
Innereien eines Plastikgehäuses delegieren. Diese setzen sich bei Bedarf zwar
automatisch in Gang, verarbeiten die Ausscheidungen aber nur so lange, bis der
ohne jegliche Sensibilität arbeitende Mixer sich selbst zugekotet hat. Früher
oder später beginnt das Gehäuse sowieso zu suppen. Allerdings ist die
Hebeanlage tatsächlich in der Lage, die angerührte Suppe auch in die Höhe
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