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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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hatte ihren ersten
Quader spontan KUBRICK benannt - warum, konnte man sich ungefähr denken. Sie
weigerte sich allerdings hartnäckig, ihre graswüchsigen Erhebungen
plattzureden.
    -
Saint-Exupery sagt irgendwo, die Technik sei dazu da, um zu verschwinden.
    - Wie hat
er das gemeint?
    - In ihrer
Perfektion unsichtbar zu werden, vielleicht. Ich weiß es nicht genau. Auf alle
Fälle hat er sich wunderbar geirrt. Ich muß trotzdem oft an den Satz denken.
    Danas
weitere Quader wurden nur noch mit einfachen Ordnungszahlen bezeichnet. Sie
bestanden größtenteils nur aus dem Material, das sich in der Umgebung
auftreiben ließ. Ein Kubrick wurde im großen und ganzen von einer
Holzkonstruktion aus gespaltenem Hartholz zusammengehalten. Zum Bau brauchte
man außerdem etliche Steine und viel Lehm, der aus einer stillgelegten
Lehmgrube kam. Bevor es mit dem eigentlichen Bau losging, waren noch einige
Vorarbeiten nötig. Dana wühlte mit einem handbetriebenen Erdbohrer Löcher in
die Erde und versenkte lange Schaumwürste darin, die Feuchtigkeit hochziehen
und die Kubricks mit etwas Wasser versorgen sollten. Wie sie ihre späteren
Kubricks genau baute, erzählte sie niemandem gern. Die Wände wurden jedenfalls
mit Weidenruten ausgeflochten und die Oberfläche so dornig präpariert, daß sich
daran ganze Grasbüschel halten konnten. Kubricks, besonders die Frischlinge,
mußten in trockeneren Sommerzeiten gepflegt, ab und zu auch repariert werden -
vor Gewittern wurden sie anfangs abgedeckt. Aber normalerweise standen sie
still und bedürfnislos da. Sie atmeten vor sich hin und waren sich selbst
genug.
    Urvater
Kubrick und Kubrick zwei trockneten zu oft aus, die Nummer eins wurde
irgendwann aufgegeben und derNatur überlassen. Die späten Exemplare bekamen
noch eine andere Art Bewässerung. Außer der Saugvorrichtung hatten sie in ihrem
Bauch einen kleinen, mit Folie ausgelegten Tümpel und konnten durch eine
Öffnung betankt werden. Ich hatte seit dem Physik-und Sportunterricht in der
Schule von der kapillaren Elevation eine ganz hohe Meinung und fühlte mich mit
den sich selbst befeuchtenden Kuben gewissermaßen verwandt.
    Ich wurde
kurz vor dem Sommer endlich als Träger eingestellt, man brauchte unbedingt
Verstärkung. Daß ich oben auf der Hütte auch wohnen konnte, war ganz wichtig -
und genau das richtige für mich. Einen viel besseren Fluchtort hätte ich damals
kaum finden können. Die Schutzhütte lag weit oberhalb der Baumgrenze. Auf diese
Weise lebte ich weit weg von allem, was hinter mir lag. Und ich wohnte so hoch
über der Meeresoberfläche, wie es in der kleinen Tschechoslowakei nur ging.
Meine Mutter und die ganze Tantenherde verlor ich dort vollkommen aus den
Augen, und folgerichtig vergaß ich bald, Briefe an meine sogenannten Nächsten
zu schreiben. Meine Mutter hat mir diesen Verrat nie verziehen. Noch schwerer
betroffen war allerdings meine stille Großmutter Lizzy - in ihrem Fall tat es mir
auch aufrichtig leid. Lizzy verzieh mir aber grundsätzlich alles.
    Ich hatte
gar keinen Grund, mit jemandem böse zu sein. Mein neues Leben machte mich nur
glücklich, und meine Mutter war mir einfach egal. Und ich war so im Reinen mit
mir, daß ich beim Schleppen der Lasten - trotz der Skepsis meines neuen Chefs -
tatsächlich nicht zusammenbrach. Ich hatte mit dreißig Kilo Gewicht angefangen,
nach einem Monat war ich schon bei sechzig. Beim Aufstieg mit einer turmartigen
Gasflasche, die über siebzig Kilo wog - zehn Kilo mehr als ich -, kam ich mir
wie ein Übermensch vor. Die einfachen alten Tragkraxen aus Holz schienen
einemEnergien unbekannter Vorgänger einzuflößen. Außerdem brach die
Klettersaison an, und ich bestieg nach und nach alle wichtigen Gipfel. Auf
wirklich schwere Routen traute ich mich zwar noch nicht, ich hatte aber Zeit.
Die tschechoslowakische Armee hatte an mir allerdings, das wurde in den Bergen
deutlich, einen durchaus brauchbaren Verteidiger des Sozialismus verloren.
    - Schade,
schade, hatte einer der Offiziere nach meiner Ausmusterung zu mir gesagt. Wir
brauchen doch jeden Mann!
    Irgendwann
kam der Herbst, der Schnee fiel sehr früh. Die anderen Träger, die nur über
Sommer arbeiten wollten, verabschiedeten sich, und auf der Hütte blieben außer
mir nur der Leiter und mein einheimischer Freund, der allerdings auch im Tal
bei den Eltern wohnen konnte. Nach größeren Schneefällen schaffte es manchmal
tagelang kein Trampeltourist, sich bis nach oben durchzukämpfen. Und weil mein
Chef und

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