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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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ausgestreckten Bein.
Auf diese Weise war es möglich, die starken und langen Gummizüge ungeheuer weit
zu spannen. Die beiden Bastler borgten sich eines Tages ein Auto, packten Skopkas
Rogallo-Wing aufs Dach, Schleuder und scharfe Munition - spitze Stahlstachel - kamen
in den Kofferraum. So bewaffnet brachen sie nach Südmähren auf, wo sich
ebenfalls wunderbar kahle Hügel befinden. Es war im Herbst, Skopkas Freund
wollte auf Hasenjagd gehen, außerdem hatten die beiden vor, südmährische Weine
zu verkosten. Kurz vor dem Ziel hatten sie sich leider verfahren und kamen so
nah an die österreichische Grenze, daß man sie festnahm. Die Grenzer gingen
sofort von versuchter Republikflucht aus, andere Vergehen kannten sie dort
sowieso kaum. Als sie im Kofferraum das Waffenarsenal fanden (»Du wolltest
deinem Freund Deckung geben, was?«), war es für alle Ausreden zu spät. Skopka
war verzweifelt und wurde beim Verhör irgendwann frech.
    - Du
wolltest also nur aus Spaß fliegen, du Spaßvogel?
    - Nein!
brüllte Skopka, der auch seinen zweiten Flugversuch als Fiasko enden sah, ich
wollte aus der Luft auf unser Land scheißen!
    Sein
Rogallo wurde schließlich demoliert, und die beiden wurden verprügelt. Die
gezielten Faustschläge hinterließen interessanterweise keine Blutergüsse.
Spätnachts warf man sie dann im Wald aus dem Auto. Und weil den Grenzern
offenbar aufgegangen war, eventuell zu weit gegangen zu sein, verständigten sie
nicht die Staatsanwaltschaft. Und Skopka und sein Freund konnten
weiterstudieren - auch weil eine entsprechende Meldung der örtlichen mährischen
Polizei von einer Sekretärin der Fakultät absichtlich verkramt wurde.
    Als im
Jahre 1977 die Charta gegründet wurde, war Skopka mit seinem Studium längst
fertig und mit seiner Arbeit unzufrieden; unrettbar veraltete Motore für
Kleinflugzeuge weiterzuentwickeln fand er lächerlich. Außerdem lag sein Betrieb
am Rand von Prag, und Skopka hatte keine Lust, sich jeden Tag in den
überfüllten Bussen drängen zu müssen. Zusätzlich fühlte er sich bei diesen
Fahrten von den Busfahrern würdelos behandelt. Einmal schnappte er, als sich
die barbarischen Lenker an einer Endhaltestelle unterhielten, etwas auf, was
seinen Verdacht voll und ganz bestätigte.
    - Die
Idioten kullern wie eine Ladung Kartoffel, wenn man schnell genug bremst.
    - In
scharfen Kurven fallen sie gern die Treppen runter. Oder setzen sich den
anderen auf den Schoß, krallen sich an irgendwelchen Frisuren fest. Im Spiegel
sieht das irre aus.
    Skopka
unterschrieb die Charta 77 und
erfüllte sich infolgedessen einen anderen großen Techniker-Traum - er wurde
Bauarbeiter bei der Metro. Mir ging es ausgerechnet in dieser Zeit psychisch so
miserabel, daß mir einiges von Skopkas Werdeabstieg entgangen war. Ich war mit
meiner Mutter, meinem Karate und meiner Metallverarbeitung ausreichend
ausgelastet und für nichts anderes zu gebrauchen. An sich hätte ich auch gern
für das Gute an der Seite der Besten gekämpft, dazu war ich inzwischen aber zu
negativistisch geladen und vollkommen isoliert.
    Zu den
Schikanen, die die Charta-Unterzeichner über sich ergehen lassen mußten,
gehörte, daß man die Autobesitzer unter ihnen auf die Zulassungsstelle
bestellte, um ihnenihre Papiere aus vorgeschobenen Gründen abzunehmen. Gern
weitete man dies auch - im Sinne der wiederbelebten Sippenhaft - auf alle
greifbaren Familienangehörigen aus. So bestellte man auch Skopkas Vater ein -
in der irrigen Annahme, dieser würde sein Auto nebenbei auch seinem Sohn
überlassen. Bei der Gelegenheit lernte Vater Skopka zufällig den blinden
Dissidenten Klaudius kennen, der kurioserweise tatsächlich auch ein Auto besaß.
Gefahren wurde es allerdings von anderen - von seiner Frau, seinen Freunden
oder Freundinnen. Zur Zulassungsstelle kam der Charta-Unterzeichner Klaudius
wie gewohnt allein mit der Straßenbahn. Er fuhr durch die halbe Stadt -
ausgerüstet nur mit seiner extradunklen Ray-Charles-Brille. Vater Skopka sah
den bebrillten ruhigen Mann im Warteraum sitzen, und ihm fiel nicht ein, daß
dieser Mensch blind sein könnte. Klaudius wurde irgendwann aufgerufen und
betrat schnellen Schrittes das Büro. Seine Pkw-Zulassung hielt er dabei in der
Hand. Im Gegensatz zum alten Skopka wußte er genau, was ihm blühte. Durch die
noch halbgeöffnete Tür konnten schließlich alle Wartenden den Anfang eines
denkwürdigen Dialogs hören:
    - Sind Sie
mit Ihrem Pkw gekommen? schrie der überarbeitete und übel

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