Faktor, Jan
geladene Beamte.
- NEIN,
HERR WACHTMEISTER, ICH BIN VOLLKOMMEN BLIND! brüllte Klaudius zurück.
sie
betrat die landschaft, trat in sie hinein
Die
Belegungsstruktur unserer Wohnung blieb im Grunde fast unverändert - war so gut
und so schlecht wie in alten Zeiten. Nur Tante Györgyi verlagerte ihre
Kochnische in eines der Bäder, kopierte damit unsere Bade- und
Koch-Kombination. Ihr Gaskocher stand auf einem gefährlich wackeligen Brett,
als Küchentisch diente ihr eine viel zu schmale Platte, die sie über die
Badewanne legte. Wenn eine andere weibliche Person gerade baden wollte, konnte
sie es darunter ruhig tun. Manchmal fielen ein paar Zwiebelringe, einige
Tomatenscheiben oder Wurstwürfel ins Wasser, man witzelte danach über Zwiebel-,
Tomaten- oder Wurstbäder. Als einmal ein ganzes Töpfchen mit peperoni-haltigem
ungarischen Letscho zwischen die Beine von Urtante Bombe kippte, gab es
allerdings Krach. In der Wohnung galten sowieso ganz unterschiedliche
hygienische Standards. Der Peperoni-Vorfall wäre bei Erna nicht möglich
gewesen. In der ursprünglichen alten Küche, die von ihr dominiert wurde, war
nicht einmal das Händewaschen im Spülbecken fürs Geschirr erlaubt.
Mein
Zuhause bekam für mich endgültig etwas Panoptikales, und ich paßte als
übergereiftes Kind ganz ausgezeichnet darein. Ich ging sowieso wenig aus, da
ich die untergehende Stadt außerhalb der Wohnung immer unerträglicher fand. So
wurde ich immer mehr zu einem Stuben-Autisten meiner eigenen Liga und hatte bei
der mich umgebenden Fürsorglichkeit keinen vernünftigen Grund, depressiv oder
bei Gelegenheit ausfällig zu werden - mir fehlte ja nichts. Mein häßlicher Bart
wucherte leider nicht ganz gleichmäßig und schützte mich vor fremden
Blicken nur unzureichend.Auf der Straße versteckte ich mich gern zusätzlich
unter einer abgetragenen Schirmmütze.
Wenn ich
mich in der Stadt ausnahmsweise auf Gespräche mit fremden Menschen einließ,
bekamen diese überraschend schnell das Gefühl, ich würde mich über sie lustig
machen. Das war neu, und ich verstand es selbst nicht. Mir war absolut nicht
danach, jemanden zu provozieren - dazu war ich viel zu schwach und
demoralisiert, von ironischer Kraftprotzerei weit entfernt. Um nach außen
einigermaßen normtüchtig zu wirken, studierte ich meine Mimik vor dem Spiegel
und versuchte, an mir zu arbeiten. Nebenbei entwickelte ich eine ganze Palette
gesichtsgymnastischer Übungen. Weil ich früher mit den unterschiedlichsten
Menschen gut klarkam, wußte ich wenigstens, wie gewöhnliche Gespräche zu
klingen und mimisch-gestikulatorisch auszusehen hatten. So mimte ich bei
Gelegenheit mich selbst, formte meine Natürlichkeit einfach nach. Ich spielte
Leichtigkeit oder Ergriffenheit, täuschte gegenstandsbezogenes Interesse vor -
mit meinem ganzen Geschick und den Resten meines Charmes. Leider stand ich
dabei oft unter starkem Überdruck. Wenn ich irgendwo am Tisch saß, leitete ich
meine überschüssige Spannung in die Füße und die Wadenmuskeln ab, wo diese
Krampferei niemandem auffallen konnte. Nach solchen Tischrunden fühlte ich mich
oft wie nach einer kleinen Bergtour, im schlimmsten Fall bekam ich
Wadenkrämpfe.
Normal war
das alles nicht. Mich suchten, wenn ich gerade unter keinen aktuellen
Karateverletzungen litt, sowieso schon dauernd diverse hypochondrische
Phantasien heim. Die Reste meines Zukunftsoptimismus verließen mich zum Glück
aber auch in dieser Zeit nicht ganz. Wenn ich in eine lebensbedrohliche Lage
kommen sollte, träumte ich, würde es bestimmt in der Nähe einer spezialisierten
Klinik der Fall sein. Selbst eine Herzattacke, die ich als Fußgänger mitten auf
einer befahrenen Kreuzung bekommen sollte,würde mich in die Tür eines
Rettungsfahrzeugs stolpern lassen.
Zu Besuch
kamen zu uns dieselben Menschen wie früher, sie erschienen mir allerdings
wesentlich seltsamer als früher. Eine Freundin von Erna hatte keine Nase,
jedenfalls nur einen kleinen Rest davon. Wir Kinder hatten uns früher vor ihr
gegruselt, hielten uns aber gern in ihrer Nähe auf, wenn sie bei Erna zu Besuch
war. Man konnte der Frau nämlich bis in den Kopf hineinsehen. Und wir begriffen
angesichts ihres Schädels schon damals, daß der Kopf eines Menschen nicht voller
Gehirnmasse ist, sondern teilweise ziemlich hohl. Gleichzeitig war mir bei den
Hohlraumstudien klar geworden, daß nicht alle zentral gelegenen Frauenöffnungen
als aufreizend gelten müssen.
Ein
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