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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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rausmöchten, aber aus Angst hierbleiben, setzen
gnadenlos ihre Magenbeschwerden zu. Wo sollen bei uns Leichtigkeit oder
wurzelfeste Heiterkeit überhaupt herkommen - bei diesem Mangel an Sonne und
erlaubter Reife? Und bei dieser stehenden Prager Dreckluft, nebenbei gesagt?
Und wenn in diesem Morast einer gerade nicht selbst depressiv ist, ist es zur
Abwechslung sein bester Freund, den gerade die Frau verlassen hat und dem jede
Klarsicht verlorenging. Leider sind wir keine stolze Nation, stimmt's? Die
Hussitenzeit liegt schon viel zu weit zurück. Damals waren wir aber wirklich
die Avantgarde von Europa - allen weit voraus, auch als es dann um die
religiöse Versöhnung ging.
    - Egal,
was du uns erzählen willst, Klädo, sagte der Philosoph K, ich möchte kurz eines
loswerden: Bei solchen Zuschreibungen von außerhalb - also auch bei diesem
fremdländischen Blick auf die angeblichen Schwejks - werden meistens
Prioritäten mißachtet oder disparate Ebenen miteinander vermischt. Außerdem
wird der Grad der Bewußtheit, die bei den Leuten ja doch im Spiel ist, nicht
ernst genommen.
    - Das ist
mir zu allgemein ... hoffentlich reden wir nicht aneinander vorbei.
    - Laß mich
das zu Ende bringen: Zwischenmenschlich, also UNTEREINANDER, geht es hier
dauernd und trotz des politischen Drucks doch mit Witz und humorig zu, das
sieht du bestimmt nicht anders. Die Leute albern ohne Ende - auch wenn es von
Haseks Spielvorlage weit entfernt sein dürfte. Auch sprachlich jonglieren die
meisten gernherum, ausgiebig und ohne Ende. An sich sind die Tschechen als
Ironiker wirklich begabt - egal, was für ein häßliches Bild manche
magengequälten Gnome äußerlich auch abgeben. Natürlich sind die Witzeleien
meistens nichts anderes als geschickte Abwehr, man federt einen Teil der
eingesteckten Schläge ab. Aber warum sollte dabei auch die natürliche Intuition
versagt haben?
    - Abwehr,
abfedern ... solche Wörter mag ich nicht, sagte der Kritiker und ehemalige
Chefredakteur J. Er wedelte dabei mit seinem Fensterputzereimer und seiner
Holzstange in der Luft, da er beim Sprechen gern mit beiden Händen
gestikulierte. Sich die Dinge auf Distanz halten ist heutzutage absolut nötig.
    - Was soll
man mit der Alltagshärte sonst tun? fragte zwischendurch der Politologe H. Die
Leute schützen sich einfach vor Demütigungen. Wir verlieren aber den Faden,
fürchte ich.
    - Trotzdem
kann einem sozusagen die Art der Ausführung auf die Nerven gehen, beeilte sich
noch J., der ehemalige Chefredakteur, zu sagen, wobei er seinen Eimer auf die
Stange fädelte und sich diese auf seine Schulter hob. Die Leute zerren dauernd
auch an den ernstesten Realitätssplittern - hochintelligent, keine Frage. Ganz
bestimmte Tatsachen werden dabei aber natürlich ausgeblendet, einfach geschickt
nicht einbezogen. Scheiß Eimer, ich bin heute aber wirklich früh fertig
geworden! sagte er noch und hatte inzwischen seine beiden Hände frei. Sein
Eimer baumelte auf der Stange hinter seinem Rücken.
    - Moment!
Ich will noch einen Satz loswerden und zusammenfassen, sagte K. Lacht aber
nicht, es geht um die Lage der Nation! Ich persönlich gehe, was die aktuelle
Situation anbetrifft, immer noch von einem intellektuellen Kultivierungsprozeß
aus - und dieser nährt sich eben von der lebendigen Alltagssprache. Trotz aller
Düsterkeit um uns herum, trotz der Sprache der Medien, also egal, wieversprengt
sich diese Kreativität an der Basis auch manifestiert.
    - STOP!
rief Kläda, laßt uns doch endlich über Schwejk reden. Ich habe im Kopf einen
längeren Vortrag fertig, zum Abtippen habe ich jetzt aber absolut keine Zeit.
Dabei geht es um das schlimmste Mißverständnis unserer Literaturgeschichte, meiner
Meinung nach wurde es noch nicht schlüssig benannt.
    - Die
Tschechen als Schwejks - das könnte man als einen volkstümlichen Topos
vielleicht auch stehenlassen.
    - Nein! Es
ist gefährlicher Unsinn! Ein einlullendes Klischee! Der Geniestreich von Hasek wird
nur benutzt - und man drückt sich einfach davor, im heutigen Dreck zu wühlen.
Dabei stinkt der Vergleich an allen Ecken und Enden, sagte Kläda, wurde aber
wieder unterbrochen.
    - Schwejk
entstand nicht WÄHREND der Unterwerfung, sondern als es die Monarchie nicht
mehr gab, mischte sich der ungeduldig gewordene Politologe H. ein. Die Figur
ist sowieso das Ergebnis einer rückwärtigen Projektion - damit will ich
natürlich nichts gegen Hasek sagen.
    - Stör'
nicht meine Exponentialkurven, blaffte ihn Kläda an. Wir haben

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