Faktor, Jan
nun mal seit
mehr als fünfzig Jahren dieses Buch und haben die dazugehörigen
Interpretationen. Außerhalb der Buchdeckel zappeln wir als Nation aber wie
unbedarft weiter, lassen uns von entzückten Zaungästen etikettieren - und
verwenden das Klischee bei Bedarf auch noch selbst. Schwejk ist doch ein
kleiner Held, oder? Jedenfalls wird er als ein solcher weltweit gefeiert ...
ein so einfach gestricktes Pappmodell! Und ein viel zu dünnes Schutzschild
obendrein.
- Bist du
schon bei deiner Theorie, oder ist das erst die Einleitung zur Weiterleitung an
die Überleitung? hakte H. nach.
- Ich
möchte jetzt nicht mehr unterbrochen werden! Im Kern geht es mir um folgendes:
Schwejk ist eine reineKunstfigur. Und weil er eine so großartige Erfindung ist,
ist er in vielem auch sehr wahr. ABER! - dieser Mann ist nur innerhalb der
Romankonstruktion das besondere Wesen, das uns ans Herz gewachsen ist. Und nur
dort kann man ihn so großartig finden.
- Andere
humoristische Konstruktionen sind auch nur dazu da, Emotionen unauffällig zu
bedienen - vielleicht nur anders als bei Hasek, wandte der eimertragende
Chefredakteur ein. Und solche Humorgebilde basieren generell auf Übertreibung.
Nebenbei können sie schamlos böse sein - sie sind eben NICHT GANZ ERNST. Alles
wie bei Hasek gehabt...
- Ja, ja,
ich habe hier aber noch ein Stück weitergedacht, sagte Kläda ungeduldig. Keine
Angst - ich will bei der Begründung nur einige ganz konkrete Knotenpunkte
ansprechen. Schwejk wird für die Wirklichkeit - und das ist der Kern meines
Vortrags - für immer untauglich sein und hier immer nur ein Phantom bleiben,
bleiben müssen. Auf dem Papier ist er dagegen nicht nur witzig, sondern auch
glaubhaft. Ihr habt bestimmt den Film mit Hrusinsky gesehen - ich kenne ihn
auch ...
-
GRAUENHAFT! Auch im Theater ist Schwejk unerträglich.
- Da haben
wir es doch! rief Kläda so laut, daß sich Leute in der näheren Umgebung
umdrehten. Er funktioniert nur beim Lesen so reibungslos - dank unserer
Phantasie. Die müssen WIR eben beisteuern - und erst dann kommt die
Humormaschine wirklich in Gang. Bei vergleichbaren Verschiebungen ins Absurde
läuft es natürlich auch nicht viel anders, da hast du recht.
- Oscar
Wilde oder Shaw ... Haben sonstweiche berühmten Satiriker anders gearbeitet?
- Hasek ist
aber einmalig und extrem, deswegen streitet man sich über ihn bis heute. Aber
ich komme jetzt zu den anderen Knotenpunkten, diese betreffen den Lesevorgang:
Wir reichern uns die egal wie absurden Handlungen von Haseks Akteuren beim
Lesen automatisch mit Haseks Intelligenz und seinem Witz als Schreiber an. Ohne
es zu merken, werden wir von ihm also mit kontextualem Wissen beliefert und
bekommen die Möglichkeit, uns über die Gegenspieler von Schwejk zu erheben -
natürlich auch über den dummen Schwejk selbst.
- Darüber
habe ich aber schon mal geschrieben, sagte der Philosoph K.
- Das hier
sind Vorgänge auf einer Metaebene! Darum ging es bei dir nicht.
- Kann
sein. Mir ging es um das Hybride in der Figur. Er ist dumm, er ist aber auch
wissend - und wir wissen, daß er - manchmal jedenfalls - Bescheid weiß. Wobei
wir auch wissen, daß er bei dem ganzen Schwachsinn, den er anrichtet, doch nur
begrenzt intelligent sein dürfte. In diesem Zusammenhang habe ich nachgewiesen,
daß die These, Schwejk würde seine Dummheit die ganze Zeit nur vortäuschen,
vollkommen unhaltbar ist.
- Ich habe
diese ganzen Widersprüche jetzt endlich aufgelöst, ob du es glaubst oder nicht!
rief Kläda so erregt, daß einige Passanten uns ruckartig auswichen. Außerdem
bekamen wir eine sichtbare Begleitung. Das wurde Kläda durch gezielte
Klopfzeichen mit dem Ellenbogen bekanntgegeben.
- Wenn wir
uns klarmachen, fuhr Kläda fort und ließ sich nicht stören, daß der Wissende in
der Schwejkfigur eben nur Hasek ist, nicht Schwejk selbst, wird das Denkgebäude
wieder sauber und problemlos begehbar. Hier liegt aber auch der Schwachpunkt
der Transposition in die Realität! In unserer Realität ist der nützliche Genius
von Hasek einfach nicht vorhanden. Die intellektuelle Draufsicht fehlt einem im
Alltag sowieso oft genug, jedem von uns.
-
Ostfront, März 1944, du könntest den Herren hinter uns etwas Bildung zukommen
lassen.
- Jetzt
nicht. Ich bin mit dem Schwejk noch nicht fertig.In der Realität würde dieses
Schwejkeln einfach auf halbintelligentes und schleimiges »Herumeiern«
zusammenschrumpfen. Zum Lachen würde uns überhaupt nichts übrigbleiben,
höchstens
Weitere Kostenlose Bücher