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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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Stasimann
natürlich gehaßt. Dabei hatte er im ansteckenden Taumel des achtundsechziger
Frühlings eventuell doch einiges verändern und mildern, die Aktivitäten seines
Ministeriums mehr auf Aufklärung und weniger auf Bespitzelung lenken wollen. In
diesemPunkt hatte er mich möglicherweise nicht belogen. Aus der Partei war er
selbstverständlich ausgeschlossen worden. Sein liebes Ministerium zahlte ihm
nach der Entlassung trotz allem einen Ausgleich zu seinem aktuellen Gehalt - so
daß er genauso viel verdiente wie davor.
    - Ich weiß
immer noch viel, viel zu viel!!! brüstete er sich. Die Kommunistenschweine
zahlen mir jetzt gutes Schweigegeld - müssen sie auch.
    Seine neue
Freundin war unschön und schamlos, zu meiner morbiden Stimmung paßte das
bestens. Pro forma war sie noch verheiratet, unglücklich war sie auch - und ich
fand ihr Unglück und ihre alkoholblasse Ausstrahlung ausgesprochen anziehend.
Wir amüsierten uns alle drei köstlich; nur ich manchmal etwas gequält, wenn die
beiden mich gerade aufzogen. Am amüsantesten war es, wenn Vater am
fortgeschrittenen Abend beschloß, seine Freunde von früher aufzusuchen. Manche
von ihnen hatte er jahrzehntelang nicht gesehen. Wir machten uns, angetrunken
wie wir waren, auf den Weg. Mein Vater wollte selbstverständlich auch gern mit
seiner viel jüngeren Freundin angeben. So standen wir plötzlich vor einer
fremden Tür und klingelten, natürlich waren wir nicht angemeldet. Die Gesichter
der überrumpelten Leute sehe ich noch heute vor mir. Man bat uns höflich
hinein, uns abzuweisen traute sich niemand. Mein bestgelaunter Vater erklärte
daraufhin die Party für eröffnet. Ausreichende Weinvorräte hatten wir immer
dabei. Die Verlegenheit der Gastgeber, die meistens schon in Hausklamotten
steckten oder sich im ersten Moment sogar in Unterwäsche zeigen mußten, war
herrlich. Kraft unserer guten Laune brachten wir sie bald dazu, den Überfall
als eine Geste der zwischenmenschlichen Güte und Wärme zu akzeptieren - für
eine Weile jedenfalls. Die Stimmung kippte aber irgendwann, was unvermeidlich
war. Mein meisterironischer Vater konnte es nicht lassen, die Gastgeber zu
provozieren, und wurde mit der Zeit immerbissiger. Er machte sich
beispielsweise über die Wohnung der Leute lustig oder darüber, daß die beiden
Eheleute einander inzwischen immer mehr ähnelten.
    - Wer von
euch ist eigentlich Vaclav?
    Ungehemmt
plauderte er auch gern irgendwelche Intimitäten von früher aus, die die Ehefrau
seines ehemaligen Freundes nie hätte erfahren sollen, beschämte diesen Menschen
so lange, bis wir hinauskomplimentiert wurden. Bei einem anderen Besuch ging es
dank ausreichender Alkoholisierung sehr schnell zur Sache. Unser Gastgeber war
ein zwei Meter großer Elektronik-Ingenieur, ein vielbeschäftigter Erfinder und
ein Lamm von Mann, die Gastgeberin eine zierliche seelendrahtige Frau.
    - Paßt ihr
auch sonst ganz gut zusammen? fragte mein Vater.
    - Wie
bitte?
    - Ich
meine da unten, Pavel ist doch so riesig.
    Zu einem
Wettbewerb um die schönsten Männerbeine kam es nie. Mit Vaters Beispiel vor
Augen probierte ich wenigstens, einiges an Alkoholmengen zu ertragen. Mich mit
ihm zu messen kam für mich allerdings nie in Frage. Wieviel mein Vater trank,
wenn er mal die Arbeit schwänzte und den ganzen Tag nichts anderes tat, als zu
trinken, erfuhr ich erst später von seiner erleichtertverwitweten Frau. Man
hatte sie manchmal kurz benachrichtigt: HERR INGENIEUR, ihr Mann, liege vor dem
Lokal - und habe nicht bezahlt. Dank dieses Umstands gilt als verbürgt, daß
mein Vater es in seiner Hochphase schaffte, vierzig halbe Liter Bier am Tag in
seinen Bauch zu gießen. Also zwei volle Zehn-Liter-Eimer. Um das vielleicht
besser zu verstehen: In den Tiefen seines Herzens wünschte er sich im Leben
nichts anderes mehr, als irgendwann ein ernstzunehmender Schriftsteller zu
werden.
    In seiner
Jugend war mein Vater ein harter Kampfsportler gewesen, später schwärmte er
gern davon. Aus seiner aktiven Jiu-Jitsu-Zeit gab es auch einige martialische
Fotos. Als ich klein war, konnte er mich vor allem damit beeindrucken, daß er
mich zu Demonstrationszwecken gnadenlos auf den Fußboden schmiß. Er tat es aber
elegant und ohne jegliche Kraftanstrengung, er mußte nicht einmal seine
überlegene Körpermasse einsetzen. Er täuschte eine seitliche Bewegung vor und
zwang mich damit trickreich, den Schwerpunkt meines Körpers mitwandern zu lassen
- zu meinem Fall reichte dann ein ganz

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