Faktor, Jan
phantasierte Präsenz zu ertragen. Bei meinen lächerlichen
Lufthampeleien wurde mir aber auch klar, daß Mutter garantiert nur einen
geringen Bruchteil meiner Wut verdient hatte. Ein Monster war sie nicht. Nur
ich war langsam dabei, eins zu werden.
essen?
- hier kann man nicht essen –
DAS kann
man wirklich nicht essen Die gemeinsamen Ausflüge mit
meiner Mutter waren zwar meistens grauenvoll, trotzdem drängte ich schon seit
längerem darauf, unbedingt einmal nach Christianstadt in Polen zu fahren. Meine
Mutter redete sich immer wieder heraus und sammelte Argumente, die gegen diese
Fahrt sprachen. In die Gegend führe sonst niemand, meinte sie, niemand kenne
den Zustand der Straßen, und was aus dem ehemals deutschen Städtchen nach dem
Krieg geworden sei, stehe sowieso in den Sternen. Und Hotels gebe es dort
hundertprozentig auch nicht. Sie hatte sicherlich recht - ich wollte aber
trotzdem hin. Die Stadt liegt nur etwa 120 Kilometer Luftlinie nördlich des
Isergebirges. Daß sie heute niemand mehr kennt, liegt unter anderem daran, daß
es diese Stadt dem Namen nach nicht mehr gibt - auch ihr früherer polnischer
Name Krzystkowice existiert nicht mehr. Aber auch als Christianstadt noch einen
Namen hatte, war die Stadt nicht überregional bemerkenswert - und nachdem sie
es geworden war, durfte davon aus Gründen der Geheimhaltung möglichst niemand
erfahren. In den Christianstädter Wäldern befand sich während des Krieges die -
was die Produktionsmengen anging - größte Munitionsfabrik des Dritten Reiches.
Trotz
Mutters Unlust bereitete ich die Fahrt - MEINEN Ausflug - systematisch vor. Das
war allerdings gar nicht so einfach. Auf manchen Karten tauchte nicht einmal
der Name Krzystkowice auf, sondern nur das unweit liegende Nowogröd Bobrz.
Nachdem ich einige, auch ältere Karten miteinander verglichen hatte, konnte ich
unser Ziel aber endlich eingrenzen. »Bobrz.« hatte eindeutig mit dem diefrühere
niederschlesische Grenze bildenden Fluß Bober zu tun. Am linken Flußufer, also
auf der brandenburgischen Seite, gab es außerdem noch einen Bahnhof - und die
Eisenbahnlinie kreuzte den Fluß nördlich der beiden wichtigen Zufahrtstraßen.
Der Bahnhof konnte nur der von Christianstadt sein, und Nowogröd - die Stadt
auf dem schlesischen Ufer - war eindeutig das frühere Naumburg. Leider wußten
einige von mir befragte Historiker über diese Lokalitäten noch weniger als ich,
sogar im Jüdischen Museum konnte mir niemand sagen, was dort überhaupt noch zu
finden sein könnte. Daß das von der SS unterhaltene Außenlager Christianstadt
verwaltungstechnisch zum Konzentrationslager Groß Rosen gehörte, war mir
dagegen nicht neu, das wußte meine Mutter schon von damals. Das viel bekanntere
Lager Groß Rosen - Rogoznica - lag von Christianstadt aber sehr weit entfernt,
fast hundertfünfzig Kilometer. Zum Komplex Groß Rosen gehörten sowieso weit
über hundert andere, weitverstreute Außenlager. Auch Mutters Freund riet uns
von der Fahrt dringend ab. Das ganze Gelände sei sicher chemisch oder sonstwie
verseucht, meinte er - falls es überhaupt zugänglich sein sollte.
- Und wenn
das Gelände jetzt von der polnischen Armee genutzt wird? Ihr kommt da
vielleicht gar nicht rein.
In der
Hohen Tatra hatten die Polen als unermüdliche Schmuggler und Schwarzhändler
keinen besonders guten Ruf, ich liebte sie aber trotzdem uneingeschränkt, ohne
daß ich es begründen konnte. Bei schlechtem Wetter ließ ich polnische
Bergsteiger oft im Holzschuppen der Hütte übernachten und wurde bald als Hehler
verspottet, schließlich nannte man mich »polnischer Vater«. Schon als ein
solcher - ich hatte bei meinen polnischen Brüdern einiges gut - wollte ich mich
von meiner Reise nicht abhalten lassen.
Eines
Tages war es trotz aller Widerstände soweit. Ich besorgte einige Zloty, borgte
mir ein Auto, und wir fuhren los. Vor uns lag nicht nur ein kurzer Ausflug,
sondern einganzes gemeinsames Wochenende. Die Stimmung war nicht schlecht -
auch meine Mutter hatte inzwischen die Neugier gepackt. Sie sah mich gern Auto
fahren, und ein Ausflug an meiner Seite war genau das, wovon sie nicht genug
haben konnte. Außerdem hatten wir es kurz vor dieser Fahrt tatsächlich
geschafft, uns einigermaßen zu vertragen. Mir persönlich half dabei ein kleiner
Trick. Wenn mich meine Mutter mit irgendwelchen doppelbödigen Angeboten
manipulieren wollte, mich mit ihren gernunsichtbaren Fäden einwickeln wollte,
überlegte ich mir - um nicht wütend
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