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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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eingesetzt, sagte einer.
Ich kann mich noch an die Leichen erinnern, als man die Juden beim Todesmarsch
erschoß und am Straßenrand liegenließ. Es war im Januar oder Februar
Fünfundvierzig, der Schnee schmolz etwas unter den Körpern, sie froren dann
fest.
    Der junge
Bote kam mit dem lokalen Spezialisten zurück, und wir bekamen endlich mehr über
die eigentliche Fabrik zu hören, die zwar nur auf dieser Seite des Flusses im
Norden liege - der Lagerkenner machte dabei allerdings eine fast
Dreihundertsechzig-Grad-Rundgeste -, der ganze Komplex erstrecke sich aber
leider auch durch die westlichen, teilweise auch die südlichen Wälder. Das
nördliche Kernstück des Komplexes, wo noch die damaligen Produktionsgebäude
stünden, gehöre allerdings zum Armeegelände. Was die Armee dort triebe, wisse
man nicht genau ... Es sei streng geheim. Alle lachten bei dieser Behauptung
auf und machten Gesten wie Männer, die Zigarren rauchen.
    - Grube
cygara.
    Jedenfalls
sei es umzäunt und werde streng bewacht. Alle anderen Gebäude könne man aber
ohne weiteres betreten.
    - Wo
wurden die Granaten verfüllt? Unser Mann zögerte kurz.
    - Das
alles liegt auf dem Armeegelände.
    - Alles,
was er nicht weiß, ist dort bei der Armee, sagte ein anderer.
    Die
Stimmung war gut, alle lachten wieder, unser Mann auch. Wir waren im Grunde
alle - mehr oder weniger - slawische Brüder und Schwestern. Und ich hatte das
Gefühl, daß wir in diesen Leuten die für uns besten Partner vor Ort gefunden
hatten. Andere, nicht angetrunkene Brüder und Schwestern hätten sich mit uns
sicher nicht so warmherzig eingelassen.- Ihr Tschechen habt die Scheißrussen
jetzt auch im Land, meinte jemand. Dabei habt ihr sie früher so geliebt, nicht
wahr.
    - Stimmt,
sagte meine Mutter. Es gibt ein altes Sprichwort: Wenn ein Kosakenpferd aus der
Moldau trinkt, sind wir frei.
    Die Männer
lachten herzlich.
    Wir
erzählten uns dann noch das und jenes, die Zeit lief. Irgendwann rieten uns die
umsichtigen Männer, uns heute nur noch in der Stadt umzusehen und uns für den
nächsten Tag zu rüsten. Unser zukünftiger Führer versprach, uns morgen früh
abzuholen. Wir gingen zum Auto, unser Quartiermeister sollte mitfahren - und
wollte es auch unbedingt. Nach einer halben Minute stiegen wir schon wieder
aus, die Wohnung befand sich gleich um die Ecke. Es war spätnachmittags, noch
heute in den Wald zu gehen kam wirklich nicht in Frage. Das ganze Gelände sei
angeblich an die zwanzig Quadratkilometer groß, und die einzelnen Gebäude lägen
voneinander weit entfernt. Unser Mann bat uns, beim Auto zu bleiben, er müsse
kurz aufräumen.
    - Wir
mußten zur Arbeit immer ewig lange laufen - waren dauernd im Grünen, erzählte
meine Mutter. Auch die Baracken im Wald waren grün gestrichen, in den ersten
Tagen nach der Ankunft fühlten wir uns wie in einer Naturidylle. Gegen
Auschwitz war das jedenfalls paradiesisch.
    - Etwas
Unkraut muß es auch in Auschwitz gegeben haben.
    - Quatsch!
In Auschwitz wuchs kein einziger Grashalm.
     - He?
    - War eben
so. Und hier duftete alles. Allerdings summte der Wald Tag und Nacht, vibrierte
und tönte. Überall führten irgendwelche Rohre lang, die Natur stand unter
Druck, hatte man das Gefühl.
    - Das hast
du zu Hause nie erzählt.- Deswegen sind wir doch hier, oder? Überall waren
Pumpstationen und riesige Behältnisse aus Beton verteilt, manche sahen wie
Gasometer aus. Um diese Betontürme oder - wannen herum war Erdreich
aufgeschüttet. Die Hügel sahen wie Pyramiden aus.
    - Wurde
hier immer noch gebaut?
    - Ja,
sicher, gebaut und gepflanzt. Auch auf den Dächern der Fabrikgebäude wuchsen
Bäume, wegen der Tarnung. Und überall gluckerte und plätscherte es - bis es
krachte.
    - Und was
waren das für Rohre?
    - Keine
Ahnung - für Abwasser, Rohstoffe, oft roch es nach Säure. Früher war die Gegend
angeblich ein Naturschutzgebiet, erzählte uns unser deutscher Meister
jedenfalls. Er steckte uns manchmal Essen zu. Die gefährlichsten Arbeiten ließ
man natürlich die Juden machen.
    -
Wahrscheinlich lag deswegen alles so weit auseinander, sagte ich. Wenn ein
Gebäude hochging, blieben die anderen heil.
    - Bei den
Explosionen flogen aber - so waren die Dinger gebaut - nur die Außenwände weg,
also die Ziegel. Die Betonskelette blieben stehen.
    Die
unausgesprochenen Bedenken, was unser Quartier betraf, waren vollkommen
berechtigt gewesen. Unser Wohltäter hatte zwar ein separates Gästezimmer,
dieses lag aber hinter seinem eigenen. Wir

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