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Faktor, Jan

Faktor, Jan

Titel: Faktor, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Sorggen um die Vergangenheit
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bescheren sollte. Sie beschloß, ihre nicht ganz
lahmen, also transportablen Skulpturen auszusetzen und irgendwo draußen auf
Wanderschaft zu schicken. Sie würden in der Landschaft schon allein klarkommen,
meinte sie, und vielleicht viel besser als unter Aufsicht.
    In einem
sozialistischen Land waren viele Ideen und Aktivitäten absolut nicht
realisierbar, dieses Vorhaben schien Dana aber durchaus möglich. Im Sozialismus
gehörte nun mal alles allen, und die Wirklichkeit stimmte manchmal zufällig mit
der Theorie überein - auch wenn es einfach der allgemeinen Trägheit,
Schlamperei und Verantwortungslosigkeit zu verdanken war. Zum Glück verstand
sich Dana mit dem Bürgermeister ausgezeichnet und hatte außerdem einen guten
Draht zur Försterei. Und wenn auch alle Förster, wie man vermutete, mit der
Staatssicherheit kooperierten und alles Wald- und Wiesen-Verdächtige melden
mußten, konnte sich die Staatssicherheit nicht um alles kümmern. Die Truppe war
offenbar dauernd ausgelastet, unterbesetzt und das Tschechenvolk als Ganzes
ausgesprochen umtriebig. Aber eventuell wußten die Genossen in Danas Fall sogar
Bescheid, und Dana hatte Glück mit ihnen. Aus Angst vor möglichen Störenfrieden
legte sie die Transporte trotzdem in die Dämmerung, am liebsten in die Zeit der
idiotischen Quizsendungen oder Serien, die niemand im ganzen Land versäumen
wollte. Später waren keine Transporte mehr nötig, da sich Dana entschlossen
hatte, direkt vor Ort, also draußen in der Landschaft zu bauen.
    Danas
Körper war der erste Frauenglobus, den ich gründlich und in allen Winkeln
erforschen durfte. Ich wollte alles sehen, riechen und schmecken - seit vielen
Jahren stand dieser Wunsch ganz oben auf meiner Wunschliste. Ich war schon im
Kindergarten daran interessiert, alle störenden Widersprüche und Unklarheiten
empirisch zu klären. In einem vorsintflutlichen Aufklärungsbuch (Pilsen, 1913),
mit dem mich später mein agiler Schulfreund Skopka - kurzfristig mit schweinischirdischen
Dingen beschäftigt - verrückt machte, stand beispielsweise, daß das
gutgepflegte weibliche ORGAN nach Bananen riechen würde. Die männliche Hälfte
der Klasse war daraufhin außer sich vor Neugier, wozu zusätzlich unser
sozialistisches Pech beitrug - echte Bananen gab es viel zu selten. Aber wir
wären auch mit gereiften Bananen in den Händen machtlos gewesen. Die vielen neu
aufgewirbelten Informationen nachzuprüfen war einfach unmöglich. Bis heute geht
es mir so, daß ich im Wald, der nach ausgiebigen sommerlichen Regengüssen satt
und schwer duftet, geneigt bin, mich nach gutgepflegten Vaginen umzusehen statt
nach Pilzen. Der wohlige VAGINALDUFT war damals jedenfalls in aller Munde,
autosuggestiv im Grunde fest in unseren Nasenhöhlen verfangen, und wir konnten
bei unseren Vaginalgrübeleien wenigstens die Angst vergessen, uns könnte unter
Umständen die gefährliche Phallus-Fäulnis drohen - oder sogar der finale
Gliedverlust. Aus dem Pilsner Aufklärungsbuch wußten wir inzwischen alle, wohin
die »Spirale des Onanismus« führen konnte.
    Wir hatten
in der Schulzeit aber auch noch andere, wenn auch inhaltlich verwandte Themen
zu bearbeiten. In der Klasse wimmelte es von Busenknospen, die emsig mit der
Zellteilung beschäftigt waren und sich dauerhaft in unserem Grapschradius
befanden. Diese Teile füllten die Blusen der Mädchen immer dramatischer, und
viele Knöpfe und Knopflöcher kamen dabei unter Zugspannung. Der gewölbte Stoff
zwischen den einzelnen Knopfverbindungen gab dadurch den Sichtweg auf die
Unterhemden oder sogar auf kleine Areale der nackten Haut frei. Wozu waren
diese an sich funktionslosen und so hypertrophierten Wölbungen überhaupt gut,
wenn die in ihnen steckenden Milchdrüsen noch so winzig waren? Um diese zu
schützen? Vor uns? Die Brüste schienen nur deshalb auf der Welt zu sein, um
Aufmerksamkeit zu erregen, um zu reizen. Das dichterische Wort »vnady« schien
dies - etymologisch gesehen - nur zu bestätigen. Auf die Brüste bezogen
bedeutet es im Tschechischen die »Köderinnen«, »Anlockerinnen«, »Anmacherinnen«.
Irgendwann tauchte in der Klasse natürlich auch ein alter, von Samenspuren
gezeichneter Raubdruck von Henry Millers »Wendekreis des Krebses« auf. Die
weltweit erste Übersetzung in eine Fremdsprache erfolgte seinerzeit
ausgerechnet ins Tschechische - schon im Jahr 1938.
    Die
Mädchen aus unserer Klasse um eine Riechprobe ihrer sicher gutgepflegten
Bananenhülsen zu bitten traute sich trotz

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