Faktor, Jan
Mutters einzig
wahre Liebe verraten, die in ihrem seelischen Schatzkästchen am Glimmen
gehalten wurde. Außerdem tat ich etwas, was mir in ihren Augen noch nicht
zustand und wozu sie mir persönlich, theoretisch jedenfalls, selbst den
Startschuß geben wollte. Meine glückliche, trotzdem weiter etwas kindliche
Jugend war nach diesem Vorfall allerdings lange noch nicht zu Ende.
Nach dem
Eklat in unserem Beischlafzimmer war einiges nicht mehr bedenkenlos möglich.
Als ich und Dana früher einmal zur Badestelle am Fluß gingen und meine Mutter
vor uns lief, konnte ich heimlich und vollkommen angstfrei Danas nackten Rücken
streicheln. Damals war mir überhaupt nicht bewußt, was für Verwirrtricks und
Schattenschläge - regelwidrig und übergriffig - wir eigentlich ausgeführt
beziehungsweise verteilt hatten. Wir waren das Liebespaar, wir waren mit
frischer Lebendigkeit erfüllt, liefen stolz und selbstsicher. Aber nur wir
wußten, woher diese Kraft kam. Obwohl Dana bekannt gewesen sein mußte, daß sie
keine hervorstechende Schönheit war, fühlte sie sich trotzdem wie eine solche.
Und ich hätte mich theoretisch mit ihr freuen können. Sie empfand sich
plötzlich aber attraktiver als meine Mutter, was - strenggenommen - eine
Frechheit war. Meine Mutter trampelte und wackelte an solchen gemeinsamen Tagen
tatsächlich weniger anmutig, wirkte verunsichert und benahm sich viel
ungeschickter als sonst - und ahnte dabei sicherlich nicht, warum. Wogegen ich,
feiger Hund, mich nebenbei freuen konnte, daß sie sich quälte. Es war meine
Rache für alles, was mir zu Hause, in dieser netten Enge, über den Kopf wuchs.
Mir bereitete es sowieso schon länger ein gewisses Vergnügen, meiner Mutter das
Lieben meiner Person zu erschweren. Es reichte schon, ihr die gewohnte Nähe zu
verweigern. Aber ich konnte auch nicht anders - ich konnte sie in meiner Nähe,
so wie früher, nicht mehr ertragen.
Etwas
Substantielles habe ich über meine mich liebende Mutter noch nicht verraten:
Sie konnte sich im Handumdrehen in eine wüste Diktatorin verwandeln. Da sie
alltägliche Dinge mit keinem Partner auszuhandeln hatte, fällte sie oft
Entscheidungen, gegen die zu opponieren unter keinen Umständen erlaubt war.
Einmal zwang sie mich - sie selbst hatte gerade ihre Tage - mit Ohrfeigen ins
kalte Osteewasser (13 Grad), weil man als Böhme überall ins Meer gehen müsse,
wenn man es vor der Nase habe. Außerdem vergewaltigte sie mich einmal sogar.
Zwar nicht genital, trotzdem penetrierend - mit einer Banane. Ich war noch
ziemlich klein und sah die abgepellten Innereien dieser Frucht, die meine
Mutter gerade stolz nach Hause gebracht hatte, zum ersten Mal. Ich roch
außerdem plötzlich etwas, was ich noch nie gerochen hatte - und begann,
rückwärts zu fliehen. Sie verfolgte mich mit ihrem weichspitzen Penetrator und
versuchte, mir die von außen etwas angefaulte Exotenwurst zwischen die Zähne zu
schieben. Ich kam rückwärts bis zum Fenster, kletterte rückwärts aufs
Fensterbrett und drückte mich rückwärts gegen die Fensterscheibe. Weil es
danach nicht weiterging, spürte ich zwischen den Lippen bald schon meinen
ersten Bananen- und Spuckebrei.
Um das
Bild meiner Mutter zu vervollständigen, muß ich über sie noch folgendes
verraten: Sie war ihrem Wesen nach ein Raubtier. Sie aß kaum Obst und Gemüse,
hatte sogar eine ausgeprägte Angst vor einer »Vitaminvergiftung«, wie sie immer
wieder sagte. Ich schließe daraus heute, daß sie - ähnlich wie die Raubtiere -
Vitamin C einfach metabolisch synthetisierte. Am ehesten steckte in ihr eine
Raubkatze, was sich aus ihrer Art, wie sie einen greifen und packen konnte,
schließen ließ. Während der Grundschulzeit schaffte sie es den ganzen
kalendarischen Winter lang, mir auch beim Tauwetter mit Gewalt lange Unterhosen
anzuziehen. In späteren Jahren oft einfach mit moralischer Gewalt. Sie setzte
mich damit regelmäßig schlimmsten Gefahren aus, da alle Kälteweichlinge in der
Schule mit Begeisterungbeschämt wurden. In Wutanfällen schlug ich zu Hause oft
mit Fäusten gegen die edel geätzten Türverglasungen unserer Türen. Ersetzt
wurde das kaputte Glas nach und nach durch unästhetische Mattscheiben unserer
sozialismuskranken Glasbranche. Widersinnigerweise fühlte sich meine
mähnenstarke Mutter genetisch mit den Pferden verwandt - auch ihrer edlen
Schönheit wegen. Gemein hatte sie mit ihnen aber höchstens nur noch das
gelegentliche Wiehern-Müssen. Beim Niesen schrie sie immer wie
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