Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
ihn an. Dann griff er nach Leons Händen und riss sie ihm von den Ohren. Augenblicklich setzte der ohrenbetäubende Krach in der Wirtsstube wieder ein.
„Leon, ich glaube, du brauchst mal wieder ein wenig Ruhe“, sagte Tido mit einem milden Lächeln. „Du siehst schlecht aus.“ Sorge stand in sein Gesicht geschrieben und Leon bezweifelte, dass diese nur mit seinem üblen Aussehen zusammenhing.
„Danke, Tido“, gab Leon zurück und rang sich ein Lächeln ab. „Also, was gibt es so Wichtiges, dass du mich von meinem wohlverdienten Schlaf abhältst?“
Das Gesicht seines Freundes verfinsterte sich. Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Dann beugte er sich weit zu ihm nach vorne. Leon tat es ihm nach, mit einem sehr mulmigen Gefühl im Bauch.
„Du kannst nicht hier bleiben“, sagte Tido leise und sah sich vorsichtig nach allen Seiten um. „Am besten ist es, du packst deine Sachen und kommst gleich mit mir.“
Für einen Moment verschlug es Leon die Sprache. „Was… was… – wieso?“ fragte er verwirrt.
Wieder sah sein Freund sich um. Er wirkte nervös, schien große Angst zu haben. „Hast du von den Aufständen in Elkon und Fadris gehört?“ fragte er sehr leise.
„Ja… aber ich dachte, das seien nur Gerüchte…“, gab Leon zögernd zu.
„Es ist alles wahr!“ raunte Tido ihm zu. „Die Aufstände, die Anschläge auf die Basislager, die Zerstörung der Feste in Kamun. Wer genau da seine Finger im Spiel hatte, ist noch nicht klar, aber es heißt, Renon stecke dahinter. Die Bakitarer sind in heller Aufruhe – eben weil alles für eine Weile relativ friedlich war.“
Leon starrte seinen Freund ungläubig an. Sein Herzschlag hatte ein ziemlich ungesundes Tempo angenommen und er hatte das Gefühl, nicht mehr richtig Luft zu bekommen, so eng war es in seiner Brust geworden.
„Sie waren erst ziemlich konfus“, fuhr Tido mit seinem schockierenden Bericht fort, „weil die Angreifer so schnell wieder weg waren. Aber jetzt sind sie auf einem Rachefeldzug, der schon ganze Dörfer in Schutt und Asche gelegt hat und nur Tod und Verderben zurücklässt. Und seit heute machen sie in jeder einzelnen Stadt Jagd auf jeden Menschen, der Kontakte zu den Renon-Rebellen hat oder hatte. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie auch hier damit anfangen.“ Er sah Leon eindringlich an. „Ich werde noch heute Abend die Stadt verlassen. Und auch du solltest so schnell wie möglich verschwinden!“
„Aber wie… wie wollen sie das herausfinden?“ fragte Leon immer noch sehr verwirrt. „Ich meine, das mit den Kontakten zu den Renon? Wieso sollten sie ausgerechnet auf mich kommen? Ich bin schon seit Ewigkeiten kaum unter Menschen ge…“
„Ja, aber willst du es wirklich riskieren, erwischt zu werden?“ gab Tido eindringlich zurück. „Jetzt, wo vielleicht sogar er hier auftaucht?“
Leon wurde bleich. Das war der schlimmste Gedanke, den jemand seit langem in ihm wachgerufen hatte. „Marek?“ fragte er mit belegter Stimme und das Nicken seines Freundes verstärkte die Übelkeit, die langsam in ihm aufstieg.
„Ist er schon in der Stadt?“
Sein Freund schüttelte den Kopf. „Es heißt, er sei auf dem Weg hierher, weil wohl einer der Drahtzieher der Überfälle hier mit einigen Vertrauten ein Versteck gefunden hat. Aber, wenn er dich hier sieht, könnte er denken…“
„… dass ich damit zu tun habe“, beendete Leon leise den Satz seines Freundes und musste mit aller Kraft nun auch noch gegen das Gefühl von Panik ankämpfte, das von ihm Besitz ergreifen wollte.
„Sein Hass auf dich war eine Zeit lang sehr tief“, setzte Tido beklommen hinzu.
„Ich weiß“, erwiderte Leon und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, so als könne er damit all die Ängste und Befürchtungen, die sich in den letzten Minuten in ihm angestaut hatten, einfach wegwischen. Doch es war nur eine leere Geste.
„Aber er hatte es aufgegeben, mich zu jagen“, murmelte er. „ Ich hatte eine Zeit lang Ruhe vor ihm.“
„Damit ist es vorbei“, meinte sein Freund und seufzte tief, „für uns alle. Uns wird nichts anderes übrig bleiben als vorerst zu fliehen. Ich will mir gar nicht ausmalen, was sie mit denen machen, die sie erwischen. Und ich war noch nie ein tollkühner Held. Das Schlachtfeld überlass ich lieber den wirklichen Kriegern.“
Er versuchte zu lachen, aber aus seiner Kehle drang nur ein merkwürdig ersticktes Glucksen, hervorgerufen durch die nackte Angst, die in seinen Augen
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