Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
hetzte er sie auch schon weiter. Sie waren tatsächlich in der Nähe des Flusses herausgekommen, genau genommen, in einem trocken gelegten Nebenarm am Rande der Stadt, noch innerhalb der hohen Stadtmauern. Umso anstrengender war ihr Fluchtweg. Der führte nämlich aus dem steilen Flussbett hinaus, in den Schatten eines großen Hauses.
Jenna fügte sich wortlos ihrem Schicksal. Wahrscheinlich war sie seit der heutigen Nacht dazu verdammt, einen Marathonlauf nach dem anderen zu absolvieren, denn sie hatte – trotz ihres eigenen inneren Widerwillens – beschlossen, Leon nicht mehr von der Seite zu weichen. Er war zwar ein unhöflicher, unverschämter Kerl, doch er stammte aus ihrer Welt und besaß eine Menge Erfahrungen, was das Leben in Falaysia betraf. Er hatte, nach Gideons Angaben, versucht aus dieser Welt zu fliehen, kannte also den Weg, den sie gehen musste, um nach Hause zu kommen. Auch wenn es ihm nicht gelungen war, gab es vermutlich in ganz Falaysia keine bessere Hilfe als ihn, denn er wusste, warum sie beide hier waren – musste es einfach wissen! Er war die vorläufige Lösung ihrer Probleme. Ihr Beschluss stand fest. Sie würde Leon begleiten, wohin er auch ging. Und es war auch egal, dass er von diesen Kriegern verfolgt wurde. So leicht ließ sie sich ihre einzige Hoffnung nicht nehmen.
An einer Ecke des Hauses hielten sie schließlich keuchend inne.
„Ich… ich werde uns ein paar Pferde besorgen“, brachte Leon etwas außer Atem hervor. Anscheinend war Jenna nicht die einzige, die dieser kleine Spurt angestrengt hatte.
„Ihr solltet besser hier warten. Ein Mann allein ist nicht so auffällig“, erklärte er. „Sollte hier eine Patrouille auftauchen, versteckt euch im Haus. Das steht seit geraumer Zeit leer.“
Gideon nickte, während Jenna sich fragte, woher er das wusste. Mit leichtem Unbehagen sah sie ihn in der Dunkelheit verschwinden.
„Und was ist, wenn er nicht wiederkommt?“ wandte sie sich an Gideon.
„Er wird wiederkommen“, sagte Gideon fest. „Ich kenne ihn. Er lässt niemanden im Stich.“
„Und wenn… wenn sie ihn erwischen?“
Gideon schüttelte den Kopf. „Das werden sie nicht. Er ist ihnen bisher immer entkommen. Wie er das macht, weiß ich nicht, aber es ist so.“
Jenna wollte fragen, warum diese Männer ihn überhaupt verfolgten, doch sie wagte es nicht. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sie waren beide zu erschöpft und aufgewühlt. Sie würde es schon später noch herausfinden, wenn sie sich diesen Leon zur Brust nahm. Wenn es noch ein Später gab…
E ntscheidung
L eon war noch nie in seinem Leben so verwirrt und aufgelöst gewesen wie in dem Moment, als er die schmalen Gassen Xadreds entlang hetzte, auf der Suche nach einem einigermaßen günstigen Stall, in dem man ihm keine dummen Fragen stellte und ohne Weiteres ein paar Pferde verkaufte. Nun ja, vielleicht war das ein wenig übertrieben, aber so kam es ihm eben im Augenblick vor. Die unterschiedlichsten Gefühlsregungen tobten durch sein Gemüt. Wut, Irritation und Angst waren einige der Dominantesten. Und Zweifel. Zweifel an dem, was er tat und bald tun würde, Zweifel an der merkwürdigen Geschichte dieser Frau, Zweifel an ihrer Loyalität ihm und Gideon gegenüber und sogar Zweifel an Gideon selber. Und dafür schämte er sich.
Wie konnte er nur einem so guten Freund misstrauen? Wie konnte er nur im Entferntesten daran denken, dass dieser ihn hintergehen und gemeinsame Sache mit seinen Feinden machen könnte? War es das, was die Einsamkeit, die schlafraubende Ruhelosigkeit aus einem machte? Einen jedem misstrauenden, andere Menschen ablehnenden Eigenbrötler? War er das? Oh, nein, so wollte er auf keinen Fall sein! Er musste lernen, gegen sich selbst zu kämpfen, bevor das passierte. Er musste lernen, wieder anderen Menschen zu vertrauen. Und am besten war es wohl, sofort damit anzufangen.
Er blieb heftig atmend an einer Hauswand stehen und lugte vorsichtig um die Ecke. Bis auf einen Trunkenbold, der langsam die Pflasterstraße hinunter taumelte, war niemand zu sehen. Also weiter! Er musste sich mehr auf das konzentrieren, was er tat, sonst würden sie ihn noch heute erwischen und den beiden anderen war damit nicht gerade geholfen. Doch seine Gedanken drehten sich nur noch um eine Sache: Was hatte es mit dieser jungen Frau auf sich? Wer war sie? Wie und warum war sie hierhergekommen? Was sollte er mit ihr machen, wenn sie tatsächlich ein Opfer Demeons und der Hexe war, so wie
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