Falaysia - Fremde Welt: Band 1 (German Edition)
entwerfen. Bloß wie, ohne genau zu wissen, was auf sie zukam? Das war so gut wie unmöglich. Also, musste sie doch erst einmal abwarten, was passierte, und nichts war schlimmer, als untätig zu warten. Jenna versuchte sich abzulenken, indem sie den Fuß des Reiters genauer betrachtete.
Es war ein ganz hübscher Fuß und recht sauber für den Fuß eines Kriegers. Die hatten bisher immer so ungepflegt auf sie gewirkt. Vielleicht war sie hier auf eine Ausnahme gestoßen. Ob dieser Mann auch eine Ausnahme war, was die Behandlung seiner Gefangenen anging? Immerhin hatte er sie ja verhältnismäßig sanft auf sein Pferd gewuchtet und sie noch nicht geschlagen – das war mehr als man von den anderen Männern behaupten konnte. Vielleicht war sie ja rein zufällig an den nettesten und ungefährlichsten feindlichen Krieger geraten, den es in ganz Falaysia gab. Vielleicht konnte sie ihn ja sogar dazu überreden, sie freizulassen, schließlich hatte sie ja niemandem hier etwas getan, war völlig unwichtig. Wahrscheinlich verwechselten diese Leute sie sogar mit jemandem. Gideon hatte ihr gesagt, dass sie niemals die Hoffnung verlieren solle, und daran hielt sie sich jetzt fest, hoffte, dass sich alles noch zum Guten wenden würde.
Sie wandte ihren Blick der anderen Seite zu und entdeckte das Lager der Krieger, auf das sie langsam zuritten. Es war kein großes Lager. Es gab vielleicht vier oder fünf Zelte, vor denen Fackeln brannten, soweit Jenna das von ihrer Position aus überblicken konnte. In der Mitte des Lagers gab es ein größeres Feuer, das so viel Licht spendete, dass sie gut erkennen konnte, dass sich dort einige Krieger um einen Mann geschart hatten. Jennas Herz begann wieder wie wild zu schlagen, als sie erkannte, dass dieser Mann niemand anderer als Leon war. Die Krieger stießen ihn grob hin und her, boshaft dabei lachend, bis sie entdeckten, dass der Reiter auf sie zukam. Auch Leon sah zu ihm hinüber, doch sein Blick war weit weniger respektvoll. Blanker Hass sprach aus seinen Augen – bis er Jenna entdeckte. Für einen Moment entgleisten seine Gesichtszüge, doch dann nahm er sich zusammen und setzte einen völlig gleichgültigen Gesichtsausdruck auf.
Jenna spürte, wie eine Hand sie grob am Nacken packte, und kurz darauf landete sie unsanft auf dem Boden, konnte sich nur mit Mühe davon abhalten einen Schmerzenslaut von sich zu geben, weil der Aufprall erneut ein scharfes Stechen in ihrer Nase und den Schläfen hervorrief. Sie hatte sich wohl geirrt – das war kein netter Mensch.
Der Reiter sagte wieder etwas in dieser komischen Sprache – nur dieses Mal noch sehr viel lauter und Jenna war sich sicher, dass er sich an Leon gewandt hatte.
Jenna wagte es nicht, sich zu rühren, doch einen Blick auf den Mann zu werfen, der sie hierher gebracht hatte, konnte sie sich nicht verkneifen. Er war, wie erwartet, längst vom Pferd gesprungen, hatte sich nun aber Leon zugewandt und stand dadurch mit dem Rücken zu ihr. Er war sehr groß und breitschultrig und trug nur eine dunkle Leinenhose, die nichts von seinem durchtrainierten Körper verbarg. Das dunkle, etwas zu lange, lockige Haar war in seinem Nacken mit einem Lederriemen gebändigt worden und obwohl der Mann keinerlei Waffen bei sich trug, hatte er eine so bedrohliche Ausstrahlung, dass Jennas Herz wieder begann zu rasen. Erst recht, als er sich zu ihr umwandte und sie kurz mit einem seltsamen Lächeln musterte.
Blaues Eis. Sie hatte schon einmal in diese Augen gesehen, war schon einmal dieser erschreckenden Kälte ausgesetzt gewesen. Solche Augen gab es nicht noch einmal, solche Augen konnte man nicht vergessen. Und sie war wirklich froh, als diese wieder hinüber zu Leon wanderten und der Mann eine Frage an ihn stellte.
Leon funkelte den Krieger hasserfüllt an, zischte etwas in derselben Sprache zurück. Ihm schien es egal zu sein, dass er seine Antworten leicht mit seinem Leben bezahlen konnte. Doch es war nicht er, der die Konsequenzen seines Verhaltens zu spüren bekam.
Der Krieger machte einen Schritt zur Seite, packte Jenna am Haaransatz und zog sie auf die Füße. Sie schrie schmerzerfüllt auf und schlug in Panik um sich, bis sie schließlich wieder losgelassen wurde. Sie wich keuchend einige Schritte vor dem Mann zurück, der sie nun prüfend ansah. Mit scharfem Blick studierte er eingehend ihre Gesichtszüge und musterte kurz ihre Figur. Es dauerte nicht lange und ein merkwürdiges Lächeln machte sich auf seinem harten, kalten Gesicht
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