Falaysia - Fremde Welt - Band III: Piladoma (German Edition)
anzuwenden. Erschwert wurde ihr dies auch noch dadurch, dass sie in diese Angelegenheit persönlich involviert war. In ihrer Welt hätte sie diesen Fall sofort abgeben müssen, aber Marek war ja auch nicht ihr Patient und sie ganz bestimmt nicht seine Therapeutin. Sie hatte ohnehin nach dem Studium erst einmal eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin annehmen und nicht sofort in die Arbeit mit Patienten einsteigen wollen. Nicht dass das jetzt von Bedeutung war, aber es gab ihr zumindest ein Alibi, warum sie mit ihrem Verhalten so gar nicht lehrbuchhaft vorging.
„Ich war zehn“, beantwortete Marek überraschenderweise auf einmal ihre Frage.
„Wie lange warst du da schon in Falaysia?“ fragte sie weiter, nun sehr viel sanfter als zuvor.
„Ein paar Monate.“ Ein minimales Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Er war damals das beeindruckendste Wesen, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. Er ist hier … gestrandet, hier in diesem Tal. Er war und wird nie dazu in der Lage, es zu verlassen. Wenn du ihn dir genau ansiehst, wirst du feststellen, dass er mal Flügel hatte . Damals konnte man das noch besser sehen. Nefian sagte, dass ein Drache, der seine Flügel verliert, normalerweise sehr bald danach stirbt, weil er nicht mehr an seine gewohnte Nahrung herankommt. Aus irgendeinem Grund hat K’uaray aber überlebt und sich mit seiner neuen Situation arrangiert. Er hat gelernt, anders zu jagen und zu leben, um zu über leben und dieses Tal zu seiner Heimat gemacht. Er ist jedoch sehr vorsichtig, fast scheu, sodass man sich ihm meist nur bis zu einer bestimmten Entfernung nähern kann.“
„Und mit dir geht er sogar schwimmen?“ Jenna konnte ihr Erstaunen nicht aus ihrer Stimme heraushalten.
„Ich sagte doch, er kennt mich schon lange“, erwiderte Marek. „Und wir hatten von Anfang an einen Zugang zueinander. Ich bin bis heute der Einzige, der ihn jemals anfassen konnte.“
„Wie kommt das?“
„Er hat sofort meine mir angeborenen Führungsqualitäten erkannt und sich mir unterworfen, so wie das jeder machen sollte“, behauptete der Krieger mit einem breiten Grinsen.
Jenna rollte die Augen, musste aber selbst schmunzeln. Warum hatte sie auch angenommen, dass sie eine vernünftige Antwort auf ihre Frage bekommen würde? Marek war noch lange nicht bereit, ihr tiefere Einblicke in seine Lebensgeschichte zu gewähren.
„Hattest du als Kind keine Angst vor ihm?“ versuchte sie es mit einer anderen Frage.
Marek schüttelte den Kopf. „Nie.“
„Aber er ist ein Raubtier.“
„Das sind Menschen auch – meist viel schlimmere als jede andere Kreatur, der man diesen wunderbaren Titel verleiht.“
Jenna nickte nachdenklich. Diese Erfahrung hatte sie auch schon gemacht. Eines dieser menschlichen Raubtiere saß gerade direkt vor ihr und zeigte sich in letzter Zeit eher in einem Licht, dass diese Behauptung wie eine dumme Lüge aussehen ließ. Nur wusste sie es besser, war schon oft genug Zeuge gewesen, wenn das Monster aus diesem Mann hervorbrach und seinem schlechten Ruf alle Ehre machte.
„Dann habt ihr hier alle zusammengelebt – der Drache, Nefian, der andere Junge und du“, schloss sie nachdenklich. Die Worte waren heraus, bevor ihr bewusst wurde, was sie damit verriet. Jenna hätte sich am Liebsten auf den Mund geschlagen, doch das half ihr jetzt auch nicht weiter, denn der Schaden war schon angerichtet.
Mareks Augen verengten sich und er zog die Brauen zusammen. „Woher weißt du von dem anderen Jungen?“
Jenna gab sich alle Mühe, doch ihr fiel keine Ausrede ein. Da war kein Weg, sich aus dieser Misere herauszureden. Sie kam nicht darum herum, ihm die Wahrheit zu sagen.
„Ich ... ich ... also ...“ Sie brach ab. Dieses Rumgestammel war ja nicht zum Aushalten! „Ich weiß nicht genau, wie und wann das immer geschieht, aber ich ... manchmal sehe ich deine Erinnerungen ...“
Sie sah ihr Gegenüber ängstlich an, wartete mit Unbehagen auf den Wutanfall, der sicherlich gleich kommen würde. Doch es geschah nichts. Marek betrachtete nur weiterhin prüfend ihr Gesicht. Selbst seine Augen blieben frei von Zorn.
„Du siehst meine Erinnerungen?“ hakte er nach und auch aus seiner Stimme war kein Groll gegen sie herauszuhören – eher so etwas wie Neugierde.
Sie nickte beklommen. „Ich tu das nicht mit Absicht. Es passiert einfach manchmal.“
„Was genau siehst du? Bilder?“
„Eher Schatten davon. Das ist schwer zu erklären.“
„Und du hast dabei mich und einen
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