Falken: Roman (German Edition)
ihn gespürt, habe mich aufgesetzt, atemlos. Habe nicht gewagt, mich wieder hinzulegen.«
»Als er zu Fall gebracht wurde, hat der Kardinal das Gleiche gesagt. Der Schmerz sei wie ein Wetzstein, hat er gesagt. Ein Wetzstein, über den das Messer gezogen werde. Und so ging es, bis er tot war.«
Er steht auf, nimmt seine Papiere: neigt den Kopf, verabschiedet sich. Henry Norris: die linke Vorderpfote.
William Brereton. Gentleman aus Cheshire. In Wales Diener des jungen Herzogs von Richmond, und zwar ein schlechter Diener. Ein unruhiger, anmaßender, stahlharter Mann aus einer unruhigen Familie.
»Gehen wir zurück«, sagt er. »Gehen wir zurück in die Zeit des Kardinals. Ich erinnere mich, dass da jemand aus Ihrem Haushalt bei einem Bowlsspiel einen Mann getötet hat.«
»Das Spiel kann ziemlich erhitzt werden«, sagt Brereton. »Das wissen Sie selbst. Wie ich höre, spielen auch Sie Bowls.«
»Und der Kardinal dachte, es sei an der Zeit für eine Abrechnung. Ihre Familie musste eine Strafe zahlen, weil Sie die Untersuchung behindert haben. Ich frage mich, hat sich seitdem etwas geändert? Sie denken, Sie können sich alles erlauben, weil Sie der Diener des Herzogs von Richmond sind und Norfolk Sie mag …«
»Der König selbst mag mich.«
Er hebt eine Braue. »Tut er das? Dann sollten Sie sich bei ihm beschweren. Weil Sie schlecht untergebracht sind, oder? Wie traurig für Sie, dass der König nicht hier ist, sondern Sie mit mir und meinem guten Gedächtnis vorliebnehmen müssen. Sehen Sie, zum Beispiel der Fall des Gentlemans aus Flintshire, John ap Eyton. Das ist erst so kurz her, dass Sie es nicht vergessen haben werden.«
»Deswegen bin ich also hier«, sagt Brereton.
»Nicht nur, aber denken Sie für den Augenblick mal nicht an Ihren Ehebruch mit der Königin und konzentrieren Sie sich auf Eyton. Die Umstände des Falles kennen Sie. Ich glaube, wie gesagt, nicht, dass Sie die vergessen haben. Es gibt einen Streit, Schläge werden ausgetauscht, jemand aus Ihrem Haushalt findet den Tod. Eyton kommt, wie es geboten ist, vor ein Londoner Geschworenengericht und wird freigesprochen. Worauf Sie, ohne Achtung vor Recht und Gerechtigkeit, Rache schwören. Sie lassen den Waliser entführen. Ihre Bediensteten hängen ihn kurzerhand auf, und das alles geschieht – unterbrechen Sie mich nicht, Mann – mit Ihrer Erlaubnis und gemäß Ihrer Planung. Ich nenne das nur als ein Beispiel. Sie denken, das ist ein einzelner Mann, der spielt keine Rolle, aber jetzt sehen Sie, dass er es doch tut. Sie denken, ein Jahr oder mehr ist vergangen, und niemand erinnert sich mehr daran, aber ich erinnere mich. Sie glauben, das Gesetz sollte so sein, wie Sie es wollen, und nach diesem Prinzip walten Sie auf Ihrem Besitz in den Marschen von Wales, wo das Recht und der Name des Königs jeden Tag aufs Neue missachtet werden. Die Gegend ist eine Diebeshochburg.«
»Sie sagen, ich bin ein Dieb?«
»Ich sage, Sie haben Umgang mit ihnen. Aber hier finden Ihre Pläne ein Ende.«
»Sie sind Richter, Jury und Henker in einem, richtig?«
»Das ist mehr Gerechtigkeit, als Eyton widerfahren ist.«
Und Brereton sagt: »Das gebe ich zu.«
Welch ein Sturz. Erst vor Tagen noch hat Brereton den Master Sekretär um einen Anteil an den Klosterländereien in Cheshire gebeten. Ohne Zweifel klingen ihm jetzt die Worte in den Ohren, die Worte, die er dem Master Sekretär gegenüber benutzt hat, als er sich über dessen Willkür beschwerte: Ich muss Sie über die Wirklichkeit belehren, hatte Brereton mit kalter Stimme gesagt. Wir sind nicht die Kreaturen irgendeiner Anwaltsversammlung in Gray’s Inn. In meinem Land hält meine Familie das Gesetz aufrecht, und das soll auch so bleiben.
Der Master Sekretär fragt jetzt: »Denken Sie, Weston hatte etwas mit der Königin?«
»Vielleicht.« Brereton sieht aus, als interessierte ihn nicht, ob es sich so oder so verhält. »Ich kenne ihn kaum. Er ist jung, töricht und sieht gut aus, und das gefällt den Frauen, nicht wahr? Sie mag ja die Königin sein, aber sie ist auch eine Frau. Wer weiß, wozu sie zu überreden ist?«
»Glauben Sie, Frauen sind törichter als Männer?«
»Ganz allgemein ja. Und schwächer. In Liebesdingen.«
»Ich nehme Ihre Meinung zur Kenntnis.«
»Was ist mit Wyatt, Cromwell? Wo ist er in dieser Sache?«
»Sie sind nicht in der Position«, sagt er, »mir Fragen zu stellen.« William Brereton: die linke Hinterpfote.
George Boleyn ist weit über dreißig, aber er hat
Weitere Kostenlose Bücher