Falken: Roman (German Edition)
Gestehen Sie. Ich werde nur sagen, was ich da schon gesagt habe: dass ich ein unschuldiger Mann bin. Und was noch schlimmer ist …«, jetzt verliert er die Fassung, gerät in Wut, »noch schlimmer ist, dass Sie und er es wissen. Sagen Sie mir, warum ich? Warum nicht Wyatt? Alle verdächtigen ihn, dass Anne und er – und hat er es je direkt geleugnet? Wyatt kennt sie von früher. Er kannte sie schon in Kent. Er kennt sie seit ihrer Mädchenzeit.«
»Und was hat das zu sagen? Er kannte sie als einfaches Mädchen. Was, wenn er da mit ihr herumgefummelt hat? Das mag schändlich sein, ist aber kein Hochverrat. Es ist etwas anderes, als mit der Frau des Königs herumzufummeln, der Königin von England.«
»Ich schäme mich nicht des Umgangs, den ich mit Anne hatte.«
»Schämen Sie sich vielleicht Ihrer Gedanken an sie? Das haben Sie Fitzwilliam gesagt.«
»Habe ich das?«, sagt Norris düster. »Hat er das aus unserem Gespräch geschlossen? Dass ich mich schäme? Und wenn ich es tue, Cromwell, selbst wenn ich es tue … können Sie meine Gedanken nicht zu einem Verbrechen machen.«
Er hält die offenen Hände vor sich hin. »Wenn Gedanken Absichten sind, wenn Absichten bösartig sind … wenn Sie sie nicht unrechtmäßig besessen haben, und Sie sagen, das haben Sie nicht, haben Sie dann vorgehabt, sie rechtmäßig zu besitzen, nach dem Tod des Königs? Es sind jetzt bald sechs Jahre seit dem Tod Ihrer Frau, warum haben Sie nicht wieder geheiratet?«
»Warum Sie nicht?«
Er nickt. »Eine gute Frage. Die stelle ich mir selbst. Aber ich habe mich keiner jungen Frau versprochen und mein Versprechen gebrochen, so wie Sie. Mary Shelton hat ihre Ehre an Sie verloren …«
Norris lacht. »An mich? Eher an den König.«
»Aber der König war nicht in der Position, sie zu heiraten – Sie schon. Mary hatte Ihre Zusage, aber Sie haben herumgetändelt. Dachten Sie, der König würde sterben, sodass Sie Anne heiraten könnten? Oder erwarteten Sie, dass Anne zu Lebzeiten des Königs ihren Ehegelübden untreu und Ihre Konkubine werden würde? Es ist das eine oder das andere.«
»Was ich auch sage, Sie werden mich verdammen. Und auch wenn ich stumm bleibe, werden Sie mich verdammen, weil Sie mein Schweigen als Zustimmung nehmen.«
»Francis Weston denkt, Sie sind schuldig.«
»Dass Francis überhaupt denkt, ist mir neu. Warum sollte er …?« Norris bricht ab. »Was, ist er hier? Im Tower?«
»Er ist in Gewahrsam.«
Norris schüttelt den Kopf. »Er ist noch ein Junge. Wie können Sie das seiner Familie antun? Zugegeben, er ist ein leichtsinniger, starrköpfiger Kerl, der, wie man weiß, nicht zu sehr von mir geschätzt wird. Wir sind uns gelegentlich in die Quere gekommen …«
»Ah, Rivalen der Liebe.« Er legt eine Hand aufs Herz.
»Ganz und gar nicht.« Ah, Harry ist aufgebracht: Er läuft dunkel an und zittert vor Wut und Angst.
»Und was denken Sie über Bruder George?«, fragt er ihn. »Es mag Sie überrascht haben, aus der Ecke Konkurrenz zu bekommen. Ich hoffe, Sie waren überrascht. Obwohl mich die Moral von Ihnen und Ihresgleichen erstaunt.«
»So bekommen Sie mich nicht. Ich werde gegen niemanden etwas sagen, den Sie nennen, und auch nicht gegen ihn. Ich habe keine Meinung zu George Boleyn.«
»Was, keine Meinung zu einem Inzest? Wenn Sie das so ruhig und ohne Widerspruch aufnehmen, bin ich gezwungen, anzunehmen, dass etwas Wahres daran sein könnte.«
»Und wenn ich sagte, ich glaube, dessen mag er schuldig sein, würden Sie mir sagen: ›Aber Norris! Inzest! Wie können Sie an eine solche Abscheulichkeit glauben? Ist das eine List, um von Ihrer eigenen Schuld abzulenken?‹«
Er sieht Norris bewundernd an. »Nicht umsonst kennen Sie mich seit zwanzig Jahren, Harry.«
»Oh, ich habe Sie studiert«, sagt Norris. »Wie ich Ihren Master Wolsey vor Ihnen studiert habe.«
»Das war das Politische in Ihnen. Solch ein großer Diener des Staates sind Sie.«
»Und am Ende solch ein großer Verräter.«
»Ich muss Ihnen etwas in Erinnerung rufen. Ich bitte Sie nicht, sich die vielfältigen Gunstbeweise ins Gedächtnis zu rufen, die Sie aus den Händen des Kardinals erhalten haben. Ich bitte Sie nur, sich an eine Unterhaltung zu erinnern, an ein gewisses Zwischenspiel bei Hofe. Ein Spiel, in dem der verstorbene Kardinal von Dämonen ergriffen und in die Hölle getragen wurde.«
Er sieht, wie sich Norris’ Augen bewegen, als die Szene vor ihm aufsteigt: das Licht des Feuers, die Hitze, die bellenden
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