Falken: Roman (German Edition)
genauso betrachtet werden.«
»Ich werde also wegen Galanterie vor Gericht gebracht? Ja, sie sind eifersüchtig, Ihr alle seid eifersüchtig auf meinen Erfolg bei Frauen.«
»Sie nennen das immer noch Erfolg? Das sollten Sie überdenken.«
»Ich habe nie gehört, dass es ein Verbrechen ist, Zeit mit einer willigen Geliebten zu verbringen.«
»Das sagen Sie besser nicht bei Ihrer Verteidigung. Wenn Ihre Schwester zu Ihren Geliebten gehört … würde das Gericht es, wie soll ich sagen … unverschämt und frech finden. Dem Ernst des Vorwurfes nicht entsprechend. Was Sie retten könnte – ich meine, was Ihr Leben retten könnte –, wäre eine umfassende Aussage zu allem, was Sie über das Verhältnis Ihrer Schwester mit anderen Männern wissen. Es gibt Hinweise auf Verbindungen, die Ihre noch in den Schatten stellen, so unnatürlich sie sein mag.«
»Sie als Christ fordern das von mir? Gegen meine Schwester auszusagen und sie damit umzubringen?«
Er öffnet die Hände. »Ich fordere nichts von Ihnen. Ich weise nur auf etwas hin, das man als Fortschritt betrachten könnte. Ich weiß nicht, ob der König zu Gnade neigen würde. Vielleicht lässt er Sie ins Ausland gehen, oder er zeigt sich gnädig, was die Art Ihres Todes betrifft. Oder auch nicht. Die Bestrafung des Verräters ist, wie Sie wissen, furchterregend und öffentlich. Er stirbt gedemütigt und unter großen Schmerzen. Ich sehe, Sie verstehen mich. Sie haben es selbst miterlebt.«
Boleyn fällt in sich zusammen: wird schmaler, verschränkt die Arme vor dem Leib, als wollte er ihn vor dem Schlachtermesser schützen, und sinkt auf einen Hocker. Er denkt: Das hättest du vorher schon tun sollen, ich habe dir gesagt, du sollst dich setzen. Siehst du, wie ich dich ohne eine Berührung dazu bringe? Er sagt leise: »Sie bekennen sich zum Evangelium, Mylord, und glauben an Ihre Errettung. Ihr Verhalten entspricht dem jedoch nicht.«
»Nehmen Sie die Finger von meiner Seele«, sagt George. »Solche Dinge bespreche ich mit meinem Seelsorger.«
»Ja, das habe ich gehört. Ich denke, Sie sind sich der Vergebung zu sicher. Sie glauben, Sie haben noch Jahre der Sünde vor sich und dass Gott, der all das sieht, sich vorerst noch gedulden muss: Erst ganz am Ende wollen Sie ihm Beachtung schenken und seinen Bitten nachkommen; er soll warten, bis Sie alt sind. Ist das nicht so?«
»Ich werde mit meinem Beichtvater darüber sprechen.«
»Ich bin jetzt Ihr Beichtvater. Haben Sie im Beisein von anderen gesagt, der König sei impotent?«
George grinst ihn an. »Er kann, wenn das Wetter schön ist.«
»Damit haben Sie infrage gestellt, ob er der Vater von Prinzessin Elizabeth ist. Sie werden begreifen, dass das Hochverrat ist, schließlich ist sie die Thronerbin.«
» Faute de mieux, was Sie betrifft.«
»Der König glaubt, dass er keinen Sohn aus dieser Ehe bekommen konnte, weil sie nicht rechtmäßig war. Er glaubt, es gab verborgene Hemmnisse und dass Ihre Schwester nicht ehrlich war, was ihre Vergangenheit betrifft. Er will eine neue Ehe, die sauber ist.«
»Ich wundere mich, dass Sie sich zu erklären versuchen«, sagt George. »Das haben Sie früher nie getan.«
»Ich tue das nur aus einem Grund: damit Sie sich Ihrer Situation bewusst werden und keine falschen Hoffnungen hegen. Diese Seelsorger, von denen Sie sprechen, werde ich zu Ihnen schicken. Sie sind jetzt die richtige Gesellschaft für Sie.«
»Gott schenkt jedem Bettler Söhne«, sagt George. »Er schenkt sie unrechtmäßigen Verbindungen genau wie gebenedeiten, Huren wie Königinnen. Ich staune, dass der König so einfache Überlegungen anstellt.«
»Es ist eine heilige Einfachheit«, sagt er. »Er ist ein gesalbter Herrscher und Gott so nah.«
Boleyn studiert seinen Ausdruck, sucht nach Leichtfertigkeit oder Hohn: Aber er weiß, seine Züge verraten nichts, er kann sich auf sein Gesicht verlassen. Man könnte zurück auf Boleyns Werdegang blicken und sagen: »Da hat er einen Fehler gemacht und dort auch.« Er war zu stolz, zu eigen, zu unwillig, seine Launen zu zügeln und sich nützlich zu machen. Er muss lernen, sich im Wind zu beugen wie sein Vater. Aber die Zeit, etwas zu lernen, verrinnt. Manchmal musst du auf deiner Ehre bestehen, und manchmal musst du sie im Interesse deiner Sicherheit hinter dir lassen. Manchmal kannst du hinter den Karten, die du gezogen hast, grinsen, manchmal aber kannst du nur noch den Geldbeutel auf den Tisch werfen und sagen: »Thomas Cromwell, du hast
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