Falken: Roman (German Edition)
alles ein Fehler, ein Missverständnis. Sie denkt, der König von Frankreich wird zu ihren Gunsten intervenieren.« Der Gefängnisdirektor schüttelt den Kopf.
Er findet Thomas Wyatt beim Würfelspiel gegen sich selbst: der Art Zeitverschwendung, die der alte Sir Henry Wyatt immer so gerügt hat. »Wer gewinnt?«, fragt er.
Wyatt blickt auf. »Der trällernde Idiot, mein schlimmstes Ich, spielt gegen den heulenden Narren, mein bestes Ich. Sie dürfen raten, wer gewinnt. Trotzdem besteht immer die Möglichkeit, dass es anders ausgeht.«
»Fühlen Sie sich wohl?«
»Körperlich oder geistig?«
»Ich verantworte nur das Körperliche.«
»Nichts lässt Sie zögern«, sagt Wyatt. Er sagt das mit widerwilliger Bewunderung, die an Grauen grenzt. Aber er, Cromwell, denkt: Ich habe gezögert, nur weiß es niemand, es sind keine Berichte ins Ausland gegangen. Wyatt hat mich nicht von Westons Befragung weggehen sehen. Wyatt hat mich nicht gesehen, als Anne ihre Hand auf meinen Arm gelegt und mich gefragt hat, was ich in meinem Herzen glaube.
Er sieht den Gefangenen an und setzt sich. Er sagte leise: »Ich glaube, ich habe mich mein ganzes Leben auf diese Sache vorbereitet. Ich bin bei mir selbst in die Lehre gegangen.« Seine ganze Laufbahn war eine Schulung in Heuchelei. Augen, die ihn einst aufgespießt haben, werben heute mit gespielter Achtung. Hände, die ihm den Hut vom Kopf schlagen möchten, strecken sich ihm entgegen und drücken manchmal fürchterlich zu. Er hat seine Feinde in seine Richtung gedreht, damit sie ihn ansehen, sich ihm anschließen: wie in einem Tanz. Er hat vor, sie wieder wegzudrehen, damit sie die lange, kalte Schneise ihrer Jahre hinunterblicken: damit sie den Wind spüren, den Wind ungeschützter Orte, der einem bis auf die Knochen schneidet; damit sie sich in Ruinen betten und frierend aufwachen. Er sagt zu Wyatt: »Alles, was Sie mir zu sagen wissen, werde ich aufschreiben, aber ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich es vernichte, sobald das hier geschafft ist.«
»Geschafft?« Wyatt stellt seine Wortwahl infrage.
»Der König wurde informiert, dass seine Frau ihn mit verschiedenen Männern betrogen hat. Einer ist ihr Bruder, einer sein engster Freund, ein anderer ein Bediensteter, von dem sie behauptet, dass sie ihn kaum kennt. Das Glas der Wahrheit ist zerschellt, sagt er. Und ja, es wäre eine Leistung, die Scherben aufzusammeln.«
»Aber Sie sagen, er wurde informiert. Wie wurde er informiert? Niemand bis auf Mark gibt etwas zu. Was, wenn er lügt?«
»Wenn ein Mann seine Schuld gesteht, müssen wir ihm glauben. Wir können es uns nicht zur Aufgabe machen, ihm zu beweisen, dass er unrecht hat. Dann würden die Gerichte nie funktionieren.«
»Aber was sind die Beweise?«, sagt Wyatt.
Er lächelt. »Die Wahrheit klopft an Henrys Tür, und sie trägt einen Umhang und eine Kapuze. Er lässt sie herein, denn er hat eine kluge Vorstellung davon, was sich darunter verbirgt. Da klopft kein Fremder. Thomas, ich glaube, er hat es immer gewusst. Er weiß, wenn sie ihn nicht körperlich betrogen hat, dann mit Worten, wenn nicht mit Taten, dann in ihren Träumen. Er glaubt, dass sie ihn nie geschätzt oder geliebt hat, während er ihr die Welt zu Füßen legte. Er glaubt, er hat sie nie beglückt oder befriedigt und dass sie sich, wenn er bei ihr lag, jemand anderen vorgestellt hat.«
»Das ist üblich«, sagt Wyatt. »Ist das nicht normal? So funktioniert die Ehe. Ich habe nicht gewusst, dass das in den Augen des Gesetzes eine Verfehlung ist. Gott, hilf uns. Halb England wird im Kerker enden.«
»Sie wissen, dass es Punkte gibt, die in einer Anklageschrift aufgeführt werden. Und dann gibt es noch andere Punkte, die wir nicht zu Papier bringen.«
»Wenn Gefühle ein Verbrechen sind, gestehe ich …«
»Gestehen Sie nichts. Norris hat gestanden. Er hat gestanden, dass er sie liebte. Wenn jemand ein Geständnis von Ihnen will, liegt es nie in Ihrem Interesse, es ihm zu geben.«
»Was will Henry? Ich bin ehrlich verwirrt. Ich kann meinen Weg aus dieser Sache hinaus nicht sehen.«
»Er ändert seine Meinung täglich. Er würde die Vergangenheit gern ungeschehen machen. Es würde ihm gefallen, Anne nie begegnet zu sein oder, wenn doch, durch sie hindurchgesehen zu haben. Vor allem aber wünscht er ihr den Tod.«
»Etwas zu wünschen heißt nicht, es wahr zu machen.«
»Doch, für Henry schon.«
»So wie ich das Gesetz verstehe, ist der Ehebruch einer Königin kein Hochverrat.«
»Nein, aber
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