Falken: Roman (German Edition)
jeden eindringenden Schotten versengt. »Sie haben mich schwören lassen, Cromwell. Sie sind gekommen, als ich im ›Mark and the Lion‹ saß und trank, und haben mich bedroht. Vor den Rat wurde ich gezerrt und musste auf die Bibel schwören, dass ich keinerlei Vertrag mit Anne hatte. Mit dem König musste ich zur Kommunion gehen. Sie haben mich gesehen, Sie haben mich gehört. Wie soll ich das jetzt zurücknehmen? Wollen Sie sagen, dass ich einen Meineid geschworen habe?«
Der Earl ist auf den Beinen. Er bleibt sitzen. Er meint es nicht unhöflich, sondern denkt, dass er dem Earl, falls er aufstünde, einen Schlag versetzen könnte, und seines Wissens hat er noch nie einen kranken Mann angegriffen. »Keinen Meineid«, sagt er freundlich. »Mein Vorschlag ist, dass Ihnen bei jener Gelegenheit Ihr Gedächtnis den Dienst versagt hat.«
»Ich war mit Anne verheiratet, hatte es aber vergessen?«
Er lehnt sich zurück und betrachtet seinen Gegner. »Sie waren immer schon ein Trinker, Mylord, was Sie, wie ich glaube, in Ihren jetzigen Zustand gebracht hat. Am fraglichen Tag habe ich Sie, wie Sie sagen, in einem Gasthaus gefunden. Ist es möglich, dass Sie, als Sie vor dem Rat aussagten, immer noch betrunken waren? Und waren Sie sich deshalb nicht klar, was Sie da beeideten?«
»Ich war nüchtern.«
»Sie hatten Kopfschmerzen. Ihnen war schlecht. Sie hatten Angst, sich auf die ehrwürdigen Schuhe von Erzbischof Warham erbrechen zu müssen. Die Möglichkeit hat Sie so verstört, dass Sie an nichts anderes denken konnten. Sie sind den Fragen nicht aufmerksam gefolgt, die Ihnen gestellt wurden. Das war kaum Ihr Fehler.«
»Ich bin allem aufmerksam gefolgt«, sagt der Earl.
»Jedes Mitglied des Rates wird Ihre Notlage verstehen. Wir alle waren schon bei der einen oder anderen Gelegenheit betrunken.«
»Bei meiner Seele, ich war Herr meiner Sinne.«
»Dann ziehen Sie eine andere Möglichkeit in Betracht. Vielleicht gab es eine Nachlässigkeit bei der Leistung des Eides. Eine Unregelmäßigkeit. Der alte Erzbischof war an jenem Tag ebenfalls krank. Ich erinnere mich noch, wie seine Hände mit dem heiligen Buch zitterten.«
»Das war das Alter. Nichts Unnormales. Er war im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte.«
»Falls es einen Fehler in der Prozedur gab, sollte Sie Ihr Gewissen nicht quälen, wenn Sie den Eid heute zurücknehmen. Vielleicht, wissen Sie, war da ja nicht mal eine Bibel?«
»Von außen sah es aus wie eine«, sagt der Earl.
»Ich besitze ein Rechnungsbuch, das oft für eine Bibel gehalten wird.«
»Besonders von Ihnen selbst.«
Er grinst. Der Earl ist noch nicht völlig wirr im Kopf. Noch nicht.
»Was ist mit der heiligen Hostie?«, fragt Percy. »Zur Besiegelung meines Eides habe ich das heilige Sakrament empfangen, war das nicht Gottes Leib?«
Er schweigt. Ich könnte dir eine Antwort darauf geben, denkt er, aber die Möglichkeit, mich einen Ketzer zu nennen, bekommst du nicht.
»Ich werde es nicht tun«, sagt Percy. »Und ich sehe auch nicht ein, warum ich es sollte. Alles, was ich höre, ist, dass Henry sie umbringen will. Reicht es nicht, wenn sie tot ist? Was macht es da noch aus, mit wem sie verbunden war?«
»Es macht durchaus etwas aus. Er hat seine Zweifel, was Annes Kind angeht, will aber keine Untersuchung anstellen, wer der Vater ist.«
»Elizabeth? Sehen Sie die Kleine doch an«, sagt Percy. »Sie ist von ihm. So viel kann ich Ihnen sagen.«
»Aber selbst, wenn sie es ist … auch wenn sie es ist, denkt er jetzt darüber nach, sie aus der Thronfolge zu streichen, so als wäre er nie mit ihrer Mutter verheiratet gewesen – damit ist mit einem Schlag alles klar, und der Weg ist geebnet für die Kinder seiner nächsten Frau.«
Der Earl nickt. »Das verstehe ich.«
»Wenn Sie Anne also helfen wollen, ist das Ihre letzte Chance.«
»Wie soll es ihr helfen, wenn ihre Ehe annulliert und ihr Kind zum Bastard erklärt wird?«
»Es könnte ihr Leben retten. Wenn sich Henrys Wut abkühlt.«
»Sie werden schon dafür sorgen, dass sie das nicht tut. Sie werden fleißig Holz nachlegen und den Blasebalg in Gang halten, oder etwa nicht?«
Er zuckt mit den Schultern. »Mir ist es egal. Ich hasse die Königin nicht, das überlasse ich anderen. Wenn sie Ihnen also etwas bedeutet …«
»Ich kann ihr nicht mehr helfen. Ich kann nur noch mir helfen. Gott kennt die Wahrheit. Sie haben mich zum Lügner gemacht, als ich vor Ihm stand. Jetzt wollen Sie mich vor den Menschen zum Narren machen. Sie
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