Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
Vom Netzwerk:
Verdienste: Es erzählt eine Geschichte und lässt in den Köpfen derer, die es hören, bestimmte Bilder entstehen, die sich nicht leicht wieder verwischen lassen. Er sagt: »Sie müssen jedem Punkt und jeder Anklage ein ›Und-mehrfach-davor-und-danach‹ hinzufügen, oder einen ähnlichen Ausdruck, der klarmacht, dass die Verfehlungen zahlreich sind, womöglich zahlreicher, als dass sich selbst die Beteiligten noch an jedes einzelne Mal erinnern könnten. Denn dann«, sagt er, »wird es nicht reichen, ein spezielles Datum und einen einzelnen Vorfall zu leugnen, um das Ganze zu schwächen.«
    Und siehe doch, was Anne gesagt hat! Folgt er diesem Papier, hat sie gestanden, »dass sie den König nie aus ihrem Herzen heraus lieben würde«.
    Sie hat es nie getan. Tut es heute nicht. Und könnte es nie.
    Er legt die Stirn in Falten und gibt die Dokumente zur Begutachtung weiter. Einwände werden erhoben. Muss Wyatt hinzugefügt werden? Nein, auf keinen Fall. Wenn Wyatt angeklagt werden muss, denkt er, wenn der König so weit geht, wird er von dieser vergifteten Truppe getrennt, und wir fangen noch einmal neu an, mit einem weißen Blatt. Bei diesem Prozess, bei diesen Beklagten gibt es nur einen Ausgang, kein Entkommen, nur den Weg zum Schafott.
    Und wenn Unstimmigkeiten auftauchen, sichtbar für jene, die genau darüber Buch geführt haben, wo sich der Hof an diesem oder jenem Tag aufhielt? Er sagt: Brereton hat mir einmal erklärt, er könne an zwei Orten gleichzeitig sein. Und wenn er richtig darüber nachdenkt, auch Weston. Annes Liebhaber sind Gentleman-Geister, die mit ehebrecherischen Absichten durch die Nacht schweben. Sie kommen und gehen im Dunkeln, unbehelligt. Wie Mücken tanzen sie über dem Fluss, und ihre diamantenbesetzten Wämser flimmern im Nichts. Der Mond sieht sie unter seiner knöchernen Haube her, sie spiegeln sich im Wasser der Themse, glitzern wie Fische, wie Perlen.
    Seine neuen Verbündeten, die Courtenays und die Poles, zeigen sich wenig überrascht angesichts der Anklagen gegen Anne. Die Frau ist eine Ketzerin, ihr Bruder ein Ketzer. Und Ketzer, das ist wohlbekannt, kennen keine natürlichen Grenzen, keine Beschränkungen, fürchten weder das Gesetz dieser Welt noch das Gesetz Gottes. Sie sehen etwas, das sie wollen, und nehmen es sich. Und jene, die diese Ketzer (dummerweise) geduldet haben, ob aus Faulheit oder Mitleid, stellen endlich fest, wie deren wahre Natur aussieht.
    Henry Tudor wird harte Lektionen lernen bei dieser Sache, sagen die alten Familien. Wird Rom ihm in seinen Schwierigkeiten vielleicht eine Hand entgegenstrecken? Wenn er auf den Knien kriecht und Anne tot ist, wird der Papst ihm dann vergeben und ihn zurücknehmen?
    Und ich?, fragt er. Oh, Sie, Cromwell … Seine neuen Master sehen ihn an – mit Gesichtsausdrücken von Erheiterung bis Abscheu. »Ich werde Ihr verlorener Sohn sein«, sagt er mit einem Lächeln. »Ich werde das verlorene Schaf sein.«
    In Whitehall drängen sich kleine Gruppen Männer zusammen, murmelnd bilden sie enge Kreise, die Ellbogen deuten nach hinten, während die Hände über die Dolche an ihren Hüften streichen. Unter den Anwälten herrscht düstere Erregung, in den Ecken bespricht man sich.
    Rafe fragt: Könnte die Freiheit des Königs nicht weniger aufwendig erreicht werden? Mit weniger Blutvergießen?
    Hör zu, sagt er: Wenn es mit Verhandlungen und Kompromissen nicht mehr geht, wenn die Vernichtung des Feindes einmal beschlossen ist, muss diese Vernichtung schnell und vollkommen erfolgen. Noch bevor du den Blick in seine Richtung wirfst, sollte sein Name auf einem Haftbefehl stehen, sollten die Häfen geschlossen sein, seine Frau und Freunde gekauft, sollte sein Erbe unter deinem Schutz stehen, sein Geld in deiner Schatulle lagern und sein Hund auf dein Pfeifen hören. Noch bevor er am nächsten Morgen erwacht, solltest du die Axt in der Hand halten.
    Als er, Cromwell, Thomas Wyatt besuchen kommt, ist der Konstabler Kingston ängstlich darauf bedacht, ihm zu versichern, dass seinem Wort Folge geleistet und Wyatt mit allen Ehren behandelt wird.
    »Und die Königin, wie geht es ihr?«
    »Sie ist rastlos. Unstet«, sagt Kingston. Er scheint sich nicht wohl zu fühlen in seiner Haut. »Ich bin alle möglichen Gefangenen gewohnt, aber so jemanden hatte ich nie. Einmal sagt sie: Ich weiß, ich muss sterben, und schon im nächsten Moment ist alles andersherum. Dann denkt sie, der König wird in seiner Barke kommen und sie holen. Sie denkt, es ist

Weitere Kostenlose Bücher