Falken: Roman (German Edition)
Preis: Sie wollen Gefälligkeiten, wollen, dass man ihre eigenen Versäumnisse übersieht, denken, sie seien etwas Besonderes und man solle sich dessen bewusst sein. Seit er, Cromwell, in Henrys Dienste getreten ist, versucht er diese Männer zu besänftigen, ihnen zu schmeicheln, sie zu beschwatzen, sucht ständig nach einer leichten Art der Zusammenarbeit, einem Kompromiss. Manchmal jedoch, wenn sie ihm über eine Stunde den Zugang zu seinem König verwehren, können sie das Grinsen nicht von ihren Gesichtern verbannen. Ich bin ihnen, denkt er, so weit entgegengekommen, wie ich konnte. Jetzt müssen sie mir entgegenkommen oder entfernt werden.
Morgens ist es jetzt frostig. Dickbäuchige Wolken folgen der königlichen Gesellschaft, während sie durch Hampshire trödelt. Innerhalb von Tagen wandelt sich der Staub der Straßen zu Matsch. Henry mag nicht zurück zu seinen Pflichten eilen. Ich wünschte, es bliebe immer August, sagt er. Sie sind unterwegs nach Farnham, eine kleine Jagdgesellschaft, als ihnen ein Reiter mit einer Nachricht entgegengaloppiert: In der Stadt gibt es einige Pestfälle. Henry, so heldenhaft er auf dem Schlachtfeld ist, wird fast erkennbar blass und reißt den Kopf seines Pferdes herum: Wohin jetzt? Alles ist besser als Farnham.
Er beugt sich auf seinem Sattel vor und nimmt den Hut ab, während er mit seinem König spricht. »Wir könnten gleich weiter nach Basing House reiten, lassen Sie mich einen schnellen Reiter schicken, um William Paulet vorzuwarnen. Dann, um ihm nicht zu viel aufzubürden, für einen Tag nach Elvetham? Edward Seymour ist zu Hause, und ich kann Vorräte schicken, falls er unvorbereitet ist.«
Er lässt sich zurückfallen und Henry vorausreiten. Er sagt zu Rafe: »Schicke nach Wolf Hall. Hole Mistress Jane.«
»Was, jetzt?«
»Sie kann reiten. Sage dem alten Seymour, er soll sie auf ein gutes Pferd setzen. Ich will sie Mittwochabend in Elvetham. Später ist zu spät.«
Rafe zügelt sein Pferd, bereit umzukehren. »Aber, Sir. Die Seymours werden fragen, warum Jane und warum die Eile. Und warum wollen wir nach Elvetham, wo doch andere Häuser in der Nähe sind, die Westons in Sutton Place …?«
Ersäufe die Westons oder hänge sie auf, denkt er. Die Westons sind nicht Teil seines Plans. Er lächelt. »Sag, sie sollen es tun, weil sie mich lieben.«
Er sieht, wie Rafe denkt: Mein Master will nun also doch Jane Seymour. Für sich oder Gregory?
Er, Cromwell, hat in Wolf Hall gesehen, was Rafe nicht sehen konnte: Die schweigsame Jane in seinem Bett, die blasse, sprachlose Jane, davon träumt Henry jetzt. Die Fantasien eines Mannes sind nicht zu erklären, und Henry ist kein Lüstling, er hat nicht viele Geliebte. Es liegt kein Schaden darin, wenn er, Cromwell, dem König den Weg zu ihr ebnet. Der König misshandelt seine Bettgenossinnen nicht. Er ist kein Mann, der eine Frau hasst, sobald er sie gehabt hat. Er wird ihr Verse schreiben und, mit etwas Anschub, ein Einkommen geben, und er wird ihre Leute fördern. Es gibt viele Familien, die seit Anne Boleyns Aufstieg in der Welt beschlossen haben, die wahre Berufung einer englischen Frau bestehe darin, sich in Henrys Aufmerksamkeit zu sonnen. Wenn sie umsichtig vorgehen, wird Edward Seymour am Hof aufsteigen und ihm ein Verbündeter sein, wo Verbündete rar sind. In diesem Stadium braucht Edward Rat. Weil er, Cromwell, über einen besseren Geschäftssinn verfügt als die Seymours. Er wird nicht zulassen, dass Jane sich billig verkauft.
Aber was wird Anne, die Königin, tun, wenn Henry sich diese junge Frau zur Geliebten nimmt? Seit Jane ihre Hofdame war, hat Anne sie ausgelacht und nennt sie ein Teig- und Milchgesicht. Was wird Anne Demut und Schweigen entgegensetzen? Wutausbrüche werden ihr kaum helfen. Sie wird sich fragen müssen, was Jane dem König geben kann, das ihr selbst im Moment fehlt. Sie wird es durchdenken müssen. Und es ist immer ein Vergnügen, Anne beim Denken zuzusehen.
Als sich die beiden Gesellschaften, die des Königs und die der Königin, im Anschluss an Wolf Hall getroffen hatten, war Anne entzückend zu ihm gewesen, hatte ihre Hand auf seinen Arm gelegt und auf Französisch über Belanglosigkeiten parliert. Als hätte sie nie gesagt – ein paar Wochen zuvor war das gewesen –, dass sie ihm am liebsten den Kopf abschlagen ließe. Als mache sie nur Konversation. Es ist ratsam, bei der Jagd hinter ihr zu bleiben. Sie ist voller Leidenschaft und schnell, aber nicht zu genau. In diesem Sommer
Weitere Kostenlose Bücher