Falken: Roman (German Edition)
gehört. »Das nächste Mal, wenn Sie bei Hofe sind«, rät ihm Thurston, »holen Sie den Schwanz heraus und legen ihn auf den Tisch, dann sehen Sie, was er dazu zu sagen hat.«
»Das mache ich sowieso immer«, sagt er, »wenn das Gespräch ins Stocken gerät.«
»Wobei …« Thurston zögert. »Es stimmt schon, Sir, Sie sind Hebräer, weil Sie Geld gegen Zinsen verleihen.«
Steigende, in Westons Fall. »Wie immer«, sagt er und zwickt noch einmal in den Teig. Ist der nicht ein bisschen fest? »Was gibt’s Neues auf den Straßen?«
»Es heißt, die alte Königin ist krank.« Thurston wartet. Sein Master hat sich eine Handvoll Korinthen genommen und isst sie. »Es ist ihr Herz, würde ich denken. Es heißt, sie hat Anne Boleyn verflucht, dass sie keinen Jungen kriegt. Oder wenn, dass er dann nicht von Henry ist. Es heißt, Henry hat andere Frauen, und Anne jagt ihn mit einer Schere durch die Gemächer und schreit, sie kastriert ihn. Königin Katherine pflegte die Augen zu schließen, wie es Ehefrauen tun, aber Anne ist eine andere Sorte, sie schwört, er wird dafür bezahlen. Das wäre eine nette Rache, oder?« Thurston gluckst. »Sie setzt Henry aus Rache Hörner auf und bringt ihren Bastard auf den Thron.«
Sie haben schnelle, geschäftige Geister, die Londoner: Geister wie Misthaufen. »Haben Sie Vermutungen, wer der Vater dieses Bastards sein wird?«
»Thomas Wyatt?«, bietet Thurston an. »Weil sie ihn bekanntermaßen favorisiert hat, bevor sie Königin wurde. Oder vielleicht ihr alter Geliebter Harry Percy …«
»Percy ist zu Hause auf seinem Besitz, oder etwa nicht?«
Thurston verdreht die Augen. »Die Entfernung hält sie nicht auf. Wenn sie ihn aus Northumberland hierhaben will, pfeift sie und holt ihn mit dem Wind her. Nicht, dass sie mit Harry Percy aufhört. Es heißt, sie hat alle Männer aus den Gemächern des Königs, einen nach dem anderen, und da sie nicht gerne wartet, stehen sie in einer Reihe und wichsen sich die Schwänze, bis sie ruft: ›Der Nächste!‹«
»Und sie folgen aufs Wort«, sagt er. »Einer nach dem anderen.« Er lacht und isst die letzte Korinthe aus seiner Hand.
»Willkommen zu Hause«, sagt Thurston. »In London, wo wir alles glauben.«
»Ich erinnere mich, als sie gekrönt wurde, rief sie ihren ganzen Hofstaat zusammen, Männer und Frauen, und predigte ihnen, wie sie sich zu betragen hätten: kein Glücksspiel, es sei denn um Spielmarken, keine unmoralischen Reden und kein unbedecktes Fleisch. Das ist ein wenig ins Rutschen gekommen, da stimme ich Ihnen zu.«
»Sir«, sagt Thurston, »Sie haben Mehl am Ärmel.«
»Nun, ich muss nach oben zur Ratssitzung. Seien Sie nicht zu spät mit dem Abendessen.«
»Wann bin ich das je?« Thurston klopft ihm sanft das Mehl herunter. »Wann bin ich das je?«
Es ist sein Haushaltsrat, nicht der des Königs, mit seinen vertrauten Beratern, den jungen Männern Rafe Sadler und Richard Cromwell, beide gut und schnell mit Zahlen, schnell dabei, ein Argument zu entkräften, schnell dabei, etwas zu begreifen. Und mit Gregory. Seinem Sohn.
In dieser Saison tragen junge Männer ihre Unterlagen in weichen, hellen Ledertaschen, Imitationen der Taschen, mit denen die Vertreter der Fugger-Bank durch Europa reisen und eine neue Mode schaffen. Die Taschen sind herzförmig, sodass es für ihn immer aussieht, als wollten sie jemandem den Hof machen, doch sie schwören, dass es nicht so ist. Neffe Richard Cromwell setzt sich und wirft einen sardonischen Blick auf die Taschen. Richard ist wie sein Onkel und hält seine Dinge nahe bei sich. »Da kommt Nennt-Mich«, sagt er. »Seht euch die Feder an seinem Hut an.«
Thomas Wriothesley kommt herein, verabschiedet sich von seinen murmelnden Faktoten. Er ist ein großer, gut aussehender Mann mit einem dichten Schopf kupferroten, geglätteten Haars. Vor einer Generation hieß seine Familie noch Writh, aber sie dachten, eine elegante Verlängerung würde zur Bedeutung beitragen. Von Haus aus waren sie Herolde und somit in guter Position, sich neu zu erfinden und aus ihren gewöhnlichen Vorfahren etwas Ritterlicheres zu machen. Solch ein Wechsel geht nicht ohne Spott vonstatten, und Thomas ist in Austin Friars als »Nennt-mich-Risley« bekannt. Er hat sich jüngst einen ordentlichen Bart wachsen lassen und einen Sohn in die Welt gesetzt und vermehrt seine Dignität mit jedem Jahr. Er legt seine Tasche auf den Tisch und lässt sich auf seinen Platz sinken. »Und wie geht es Gregory?«, fragt
Weitere Kostenlose Bücher