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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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er.
    Gregorys Gesicht öffnet sich beglückt. Er bewundert Nennt-Mich und hört kaum den herablassenden Unterton. »Oh, mir geht es gut. Ich war den Sommer über jagen, und jetzt geht’s in William Fitzwilliams Haushalt. Ich trete in sein Gefolge ein, er ist ein Gentleman nahe beim König, und mein Vater denkt, ich kann von ihm lernen. Fitz ist gut für mich.«
    »Fitz«, schnaubt Wriothesley amüsiert. »Ihr Cromwells!«
    »Nun«, sagt Gregory, »er nennt meinen Vater Crumb.«
    »Ich würde vorschlagen, dass Sie sich das nicht auch angewöhnen, Wriothesley«, sagt er. »Und wenn, dann nur hinter meinem Rücken. Obwohl ich gerade in der Küche war und ›Crumb‹ nichts gegen das ist, wie sie die Königin titulieren.«
    Richard Cromwell sagt: »Es sind die Frauen, die im Gifttopf rühren. Sie mögen es nicht, wenn eine andere ihnen die Männer stiehlt. Sie finden, Anne sollte bestraft werden.«
    »Als wir zu unserer Reise aufgebrochen sind, bestand sie vor allem aus Ellbogen«, sagt Gregory unerwarteterweise. »Aus Ellbogen und Ecken. Jetzt sieht sie üppiger aus.«
    »Das tut sie.« Er ist überrascht, dass seinem Jungen so etwas auffällt. Die verheirateten Männer, erfahren, suchen bei Anne so neugierig nach Hinweisen des Dickerwerdens, wie sie es bei ihren eigenen Frauen tun. Blicke werden am Tisch ausgetauscht. »Nun, wir werden sehen. Sie waren nicht den ganzen Sommer zusammen, meiner Einschätzung nach jedoch genug.«
    »Hoffen wir darauf«, sagt Wriothesley. »Der König wird ungeduldig mit ihr werden. Wie viele Jahre schon wartet er darauf, dass eine Frau ihre Pflicht tut? Anne hat ihm einen Sohn versprochen, wenn er sie heiratet, und man fragt sich, würde er noch einmal so viel für sie tun?«
    Endlich kommt auch Richard Riche, mit einer gemurmelten Entschuldigung. Auch dieser Richard hat keine herzförmige Tasche, obwohl er einst genau die Art von Galan war, der gleich fünf in verschiedenen Farben gehabt hätte. Wie viel zehn Jahre verändern können! Richard gehörte einmal zur übelsten Sorte Jurastudenten, der Sorte mit einer ganzen Akte Verteidigungsreden, um ihre Sünden abzumildern. Mit Absicht frequentierte er miese Kneipen, wo Anwälte als Ungeziefer galten, damit er aus Ehrenhaftigkeit gezwungen wurde, eine Prügelei zu beginnen. In den frühen Morgenstunden dann schlich er sich von hinten in sein Zimmer in Temple, nach billigem Wein stinkend und mit zerfetzter Jacke. Er war einer von denen, die grölend mit einer Meute Terrier über die Lincoln’s Inn Fields strichen. Heute ist Riche ernüchtert und gebändigt, gefördert von Lordkanzler Thomas Audley und ständig zwischen diesem Würdenträger und Thomas Cromwell unterwegs. Die Jungen nennen ihn Sir Purse, den Geldbeutel. Purse wird dicker, sagen sie. Die Sorgen des Berufs lasten auf ihm, die Pflichten des Vaters einer wachsenden Familie. Einst der goldene Junge, scheint Purse mittlerweile von einer feinen Patina Staub bedeckt. Wer hätte gedacht, dass er einst der zweite Kronanwalt würde? Aber er hat ein gutes Juristenhirn, und wenn du einen guten Anwalt willst, ist er immer da.
    »Bischof Gardiners Buch entspricht nicht Ihren Zielen«, fängt Riche an. »Sir.«
    »Es ist nicht ganz so schlecht. Was die Macht des Königs betrifft, stimmen wir überein.«
    »Ja, aber«, sagt Riche.
    »Ich fühlte mich dazu bewogen, Gardiner folgende Worte zu zitieren: ›Denn das Wort des Königs ist mächtig, und wer darf zu ihm sagen: Was tust du?‹«
    Riche hebt die Brauen. »Das Parlament darf es.«
    Mr   Wriothesley sagt: »Glauben Sie Master Riche, dass er weiß, was das Parlament darf.«
    Mit der Frage der Macht des Parlaments, so scheint es, hat Riche Thomas More ein Bein gestellt und ihn zu Fall gebracht – und vielleicht in den Verrat getrieben. Niemand weiß, was in diesem Raum, in dieser Zelle, gesagt wurde. Riche war mit gerötetem Gesicht herausgekommen, hatte gehofft und halb angenommen, genug in der Hand zu haben. Auf direktem Weg kam er vom Tower of London zu ihm, Thomas Cromwell. Der ruhig sagte: Ja, das reicht. Wir haben ihn, danke. Danke, Purse, das haben Sie gut gemacht.
    Jetzt beugt sich Richard Cromwell zu ihm hin: »Sagen Sie uns, mein kleiner Freund Purse: Ihrer wahren Einschätzung nach, kann das Parlament einen Erben in den Bauch der Königin pflanzen?«
    Riche wird leicht rot. Er ist jetzt fast vierzig, kann bei seiner Gesichtshaut aber immer noch rot werden. »Ich habe nie gesagt, dass das Parlament kann, was Gott nicht tut.

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