Falken: Roman (German Edition)
kannten.«
Ein flüchtiges Lächeln, und sie entschwindet. Er sieht ihr hinterher. Wir könnten heiraten, denkt er. Es würde meinen Geist beweglich halten, darüber nachzudenken, wie sie mich verkennen mag. Macht sie das mit Absicht?
Natürlich kann ich sie nicht haben, bevor Henry mit ihr fertig ist. Und ich habe mir einst geschworen, seine abgelegten Frauen nicht zu übernehmen, ist es nicht so?
Vielleicht, hatte er gedacht, sollte ich ein Aide-Mémoire für die jungen Seymours schreiben, damit ihnen klar ist, welche Geschenke Jane annehmen sollte und welche nicht. Die Regel ist einfach: Schmuck ja, Geld nein. Und bis der Handel geschlossen ist, lasst sie auch nicht ein Stück Kleidung in Henrys Gegenwart ablegen. Nicht einmal, so wird er raten, ihre Handschuhe.
Unfreundliche Geister beschreiben sein Haus als den Turm zu Babel. Es heißt, er hat Bedienstete aus jeder Nation unter der Sonne, nur nicht aus Schottland, weshalb sich immer wieder Schotten voller Hoffnung bewerben. Gentlemen und sogar Adlige aus In- und Ausland drängen ihn, ihre Söhne in seinen Haushalt aufzunehmen, und er akzeptiert jene, denen er etwas beibringen zu können glaubt. Jeden Tag widmet sich eine Gruppe deutscher Gelehrter in Austin Friars den vielen Varianten ihrer Sprache und beugt sich grübelnd über die Briefe von Predigern aus ihren heimischen Gebieten. Beim Abendessen tauschen junge Männer aus Cambridge griechische Schnipsel aus. Es sind die Studierenden, denen er geholfen hat und die jetzt kommen, um ihm zu helfen. Manchmal ist eine Gesellschaft italienischer Handeltreibender zum Essen im Haus, und er redet mit ihnen in den Sprachen, die er bei seiner Arbeit für die Bankiers in Florenz und Venedig gelernt hat. Die Angestellten seines Nachbarn Chapuys lungern im Haus herum, trinken, was es in Cromwells Vorratsräumen gibt, und schwatzen auf Spanisch und Flämisch. Er selbst spricht mit Chapuys Französisch, es ist die Muttersprache des Botschafters, und mit Christophe, seinem Jungen, eine eher umgangssprachliche Version des Französischen. Christophe ist ein untersetzter kleiner Raufbold, der ihm aus Calais gefolgt ist und nie weit von seiner Seite weicht. Er lässt ihn auch nicht weiter weg, da es um Christophe herum ständig zu Rangeleien kommt.
Jetzt gilt es, sich über die Geschehnisse des Sommers auszutauschen, Konten durchzusehen, Quittungen und Ausgaben für seine Häuser und seinen Landbesitz. Aber erst geht er in die Küche, um seinen obersten Koch zu begrüßen. Es herrscht frühnachmittägliche Ruhe, das Mittagessen ist abgeräumt, die Spieße sind gesäubert, das Zinngeschirr gespült und aufgestapelt, und es hängt ein Geruch von Zimt und Nelken in der Luft. Thurston steht allein vor einem mehlbestäubten Brett und betrachtet einen Teigball, als wäre es der Kopf eines Baptisten. Als ihm ein Schatten das Licht nimmt, dröhnt der Koch: »Tintenfinger raus!« Dann: »Ah. Sie sind’s, Sir. Wurde aber auch Zeit. Weil wir mit Ihnen rechneten, haben wir großartige Wildpasteten gemacht, mussten sie aber an Ihre Freunde verteilen, bevor sie schlecht wurden. Wir hätten Ihnen ja welche geschickt, nur waren Sie so viel unterwegs.«
Er streckt die Hand aus, um zu probieren.
»Tut mir leid«, sagt Thurston. »Aber erst kommt der junge Thomas Avery hier runter, direkt von seinen Büchern oben, stöbert in den Vorräten herum und will Sachen wiegen. Dann Master Rafe: Hören Sie, Thurston, da kommen Dänen, was können wir für Dänen machen?, und schon platzt Master Richard rein: Luther hat seine Boten geschickt, was für Kuchen mögen Deutsche?«
Er kneift in den Teig. »Ist der für die Deutschen?«
»Ganz gleich, für wen. Wenn er was wird, ist er für Sie.«
»Haben Sie die Quitten gepflückt? Es kann nicht mehr lange dauern bis zum ersten Frost, ich spüre es in den Knochen.«
»Wenn man Sie so hört«, sagt Thurston, »klingen Sie wie Ihre eigene Oma.«
»Sie haben sie ja gar nicht gekannt. Oder doch?«
Thurston gluckst. »Die Gemeindesäuferin?«
Wahrscheinlich. Welche Frau hätte seinen Vater, Walter Cromwell, stillen können, ohne zum Alkohol zu greifen? Thurston sagt, als käme ihm der Gedanke erst gerade in diesem Moment: »Wobei, ein Mensch hat immer zwei Omas. Wer waren die Leute Ihrer Mutter, Sir?«
»Nordlichter.«
Thurston grinst. »Direkt aus der Höhle. Kennen Sie den jungen Francis Weston? Der den König bedient? Seine Leute verbreiten, dass Sie Hebräer sind.« Er knurrt. Das hat er schon
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