Falken: Roman (German Edition)
Franzose?«
»Engländer.«
Der Mann hatte die Augen verdreht. »Was kannst du?«
»Ich kann kämpfen.«
»Offenbar nicht gut genug.«
»Ich kann kochen.«
»Wir brauchen kein Barbarenessen.«
»Ich kann Rechnungen aufstellen.«
»Das hier ist eine Bank. Da sind wir gut versorgt.«
»Sagen Sie mir, was Sie brauchen. Ich kann es.« (Er schneidet bereits auf wie ein Italiener.)
»Wir brauchen einen Arbeiter. Wie heißt du?«
»Herkules«, sagt er.
Wider seine bessere Einsicht lacht der Mann. »Komm herein, Ercole.«
Ercole humpelt ins Haus, über die Schwelle. Der Mann kümmert sich um seine eigenen Aufgaben. Ercole setzt sich auf eine Stufe und ist vor Schmerz den Tränen nah. Er sieht sich um. Alles, was er hat, ist dieser Boden. Dieser Boden ist seine Welt. Er ist hungrig, er ist durstig, er ist über siebenhundert Meilen von zu Hause entfernt. Aber dieser Boden kann verbessert werden. »Jesus, Maria und Josef!«, ruft er. »Wasser! Einen Eimer! Allez, allez! «
Sie gehen. Schnell gehen sie. Ein Eimer kommt. Er verbessert diesen Boden. Er verbessert dieses Haus. Er verbessert es nicht ohne Widerstand. Zunächst stecken sie ihn in die Küche, wo er als Ausländer schlecht aufgenommen wird und es mit Messern, Spießen und kochendem Wasser viele Möglichkeiten für Gewalt gibt. Aber er ist ein besserer Kämpfer, als man denken sollte: nicht sehr groß, ohne besondere Fertigkeit oder Geschick, aber fast unmöglich umzuwerfen. Was ihm zudem hilft, ist der Ruf seiner Landsleute, die in ganz Europa als Krakeeler und Plünderer, Vergewaltiger und Diebe gefürchtet sind. Da er seine Kollegen nicht in deren Sprache beschimpfen kann, tut er es wie im heimischen Putney. Er bringt ihnen schreckliche englische Flüche bei – »Bei den blutigen Nagellöchern Christi!« –, die sie hinter den Rücken ihrer Master benutzen können, um sich Luft zu machen. Wenn das Mädchen am Morgen kommt, die Kräuter in ihrem Korb feucht mit Tau, treten sie zurück, würdigen ihren Anblick und fragen: »Hallo, Sweetheart, wie geht’s dir heute?« Und wenn sie bei einer schwierigen Aufgabe unterbrochen werden, sagen sie: »Verpiss dich, oder ich koche deinen Kopf in dem Topf da aus.«
Schnell begriff er, dass ihn das Glück an die Tür einer der ältesten Familien der Stadt geführt hatte, die nicht nur mit Geld und Seide, Wolle und Wein handelte, sondern auch große Dichter unter ihren Ahnen hatte. Francesco Frescobaldi, der Master, kam in die Küche, um mit ihm zu reden. Er teilte die allgemeinen Vorurteile den Engländern gegenüber nicht, sondern hielt sie eher für Glücksbringer, obwohl doch, wie er sagte, einige seiner Vorfahren durch unbezahlte Schulden längst toter englischer Könige nah an den Ruin gebracht worden waren. Er selbst sprach wenig Englisch und sagte: Wir können deine Landsleute immer brauchen, es gibt so viele Briefe zu schreiben, du kannst doch schreiben, hoffe ich? Und als er, Tommaso oder Ercole, sein Toskanisch so weit verbessert hatte, dass er sich ausdrücken und Scherze machen konnte, versprach ihm Frescobaldi: Eines Tages werde ich dich ins Kontor rufen. Da werde ich dich ausprobieren.
Der Tag kam. Er bekam seine Chance und gewann. Von Florenz kam er nach Venedig und Rom, und wenn er heute von diesen Städten träumt, wie er es manchmal tut, drängt sich ein Rest Großtuerei in seine Gegenwart, eine Spur des jungen Italieners, der er einmal war. Er denkt ohne Nachsicht an sein jüngeres Selbst zurück, aber auch ohne Vorwürfe. Er hat immer getan, was nötig war, um zu überleben, und wenn sein Urteil über die Notwendigkeiten manchmal fragwürdig war … das gehört zum Jungsein dazu. Heute nimmt er arme Gelehrte in seine Familie auf. Es gibt immer eine Aufgabe für sie, eine Ecke, in der sie an Traktaten über gutes Regieren arbeiten oder die Psalmen übersetzen können. Aber er nimmt auch junge Männer auf, die so rau und wild sind, wie er rau und wild war, weil er weiß, wenn er geduldig mit ihnen ist, werden sie ihm treu sein. Noch heute liebt er Frescobaldi wie einen Vater. Gewohnheit lässt die Intimitäten der Ehe schal werden, Kinder werden aufsässig und rebellieren, doch ein guter Master gibt mehr, als er nimmt, und sein Wohlwollen führt dich durch dein Leben. Denk an Wolsey. Der Kardinal spricht in seinem Kopf mit ihm. Er sagt, ich habe dich gesehen, Crumb, als du in Elvetham warst: wie du dir in der Dämmerung das Gemächte gekratzt und über die Gewalttätigkeit der königlichen
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