Falken: Roman (German Edition)
Freunde am Hof des Hauses Valois. Anne sucht immer noch eine königliche Verbindung für ihre rotschöpfige kleine Tochter. Früher hat er sie als einen Menschen bewundert, der fähig war, aus seinen Fehlern zu lernen, der sich zurückziehen und neu überlegen konnte, aber sie hat auch einen sturen Zug, der dem der alten Königin Katherine gleicht, und es scheint so, als lernte sie in dieser Sache niemals dazu. George Boleyn war wieder drüben in Frankreich, um Ränke für die Verbindung zu schmieden, aber ohne Erfolg. Wozu taugt George Boleyn eigentlich? Das ist eine Frage, die er sich immer wieder stellt. Er sagt: »Hoheit, der König darf seine Ehre nicht durch irgendeine Form von schlechter Behandlung der alten Königin beschädigen. Wenn das bekannt würde, wäre er persönlich kompromittiert.«
Anne sieht skeptisch aus. Derlei Gedanken versteht sie nicht. Das Licht ist gedämpft, ihr Silberkopf wippt, glitzernd und klein, die Närrin, für Cromwell nicht zu sehen, jammert, gluckst und brummelt vor sich hin, und Anne auf ihren Samtkissen lässt ihren Samtpantoffel wie ein Kind herunterbaumeln, das gleich den Zeh in einen Bach tauchen will. »Wenn ich Katherine wäre, würde ich auch intrigieren. Ich würde nicht vergeben, sondern tun, was sie tut.« Sie lächelt ihn gefährlich an. »Sie sehen, ich kenne Katherines Gedanken. Obwohl sie Spanierin ist, kann ich mich in sie hineinversetzen. Wenn Henry mich abschöbe, würden Sie auch mich nicht sanftmütig erleben. Dann würde auch ich Krieg wollen.« Sie nimmt eine Haarsträhne zwischen Zeigefinger und Daumen und fährt nachdenklich daran entlang. »Wobei, der König glaubt, sie kränkelt. Beide, sie und ihre Tochter, sie jammern ständig. Ihre Mägen sind verstimmt, ihre Zähne fallen aus, Glieder und Gelenke schmerzen, sie müssen die ganze Nacht spucken, liegen tags stöhnend darnieder, und all ihre Schmerzen verdanken sie Anne Boleyn. Also hören Sie. Reiten Sie hin, Cremuel, besuchen Sie Katherine ohne Voranmeldung, und sagen Sie mir, ob sie simuliert oder nicht.«
Sie pflegt, als Affektiertheit, eine scheue Verschliffenheit der Sprache, klingt hier und da französisch und kann seinen Namen nicht aussprechen. Jemand ist an der Tür: Der König kommt herein. Er erweist ihr seine Reverenz. Anne steht nicht auf oder verbeugt sich vor ihm. Ohne jede Einführung sagt sie: »Ich habe ihm gesagt, er soll hinfahren, Henry.«
»Ich wünschte, das würden Sie, Cromwell. Und berichten Sie uns persönlich. Niemand erkennt so wie Sie die Natur der Dinge. Wenn der Kaiser einen Knüppel braucht, um mich damit zu schlagen, sagt er, seine Tante stirbt, aus Vernachlässigung und Kälte und aus Scham. Also, sie hat eine Dienerschaft, und sie hat Feuerholz.«
»Und was die Scham anbelangt«, sagt Anne, »sollte sie innerlich vergehen, wenn sie an all die Lügen denkt, die sie verbreitet.«
»Majestät«, sagt er, »ich reite im Morgengrauen und schicke Rafe Sadler mit dem Tagesplan zu Ihnen, wenn Sie erlauben.«
Der König stöhnt. »Gibt es denn kein Entkommen vor Ihren großen Listen?«
»Nein, Sir. Wenn ich Ihnen eine Ruhepause gönnte, würden Sie mich ständig auf der Straße halten, ein Vorwand fände sich schon. Würden Sie, bis ich zurückkomme … die Situation aussitzen?«
Anne rutscht auf ihrem Sessel herum, den Brief von Bruder George unter sich. »Ohne Sie werde ich nichts unternehmen«, sagt Henry. »Passen Sie auf sich auf, die Straßen sind tückisch. Ich werde Ihr Fürbitter sein. Gute Nacht.«
Er sieht sich draußen um, aber Mark ist verschwunden, es gibt nur ein Grüppchen Matronen und Jungfern: Mary Shelton, Jane Seymour und Elizabeth, die Frau des Earl of Worcester. Wer fehlt? »Wo ist Lady Rochford?«, sagt er. »Sehe ich ihre Gestalt dort hinter dem Wandteppich?« Er lächelt und zeigt auf Annes Gemach. »Ich denke, die Königin geht zu Bett. Helft ihr, Mädchen, dann habt ihr den Rest der Nacht für euer schlechtes Betragen.«
Sie kichern. Lady Worcester macht lockende Bewegungen mit dem Finger. »Neun Uhr, und schon kommt Harry Norris, mit nur einem Hemd und sonst nichts. Lauf, Mary Shelton. Lauf schön langsam …«
»Und wovor laufen Sie davon, Lady Worcester?«
»Thomas Cromwell, das kann ich Ihnen unmöglich sagen. Eine verheiratete Frau wie ich?« Neckisch lächelnd lässt sie ihre Finger über seinen Oberarm krabbeln. »Wir wissen alle, wo Harry Norris heute Nacht am liebsten liegen würde. Shelton ist nur seine vorübergehende
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