Falken: Roman (German Edition)
sie«, sagt sie. »Und nicht allein. Mit ein paar ritterlichen jungen Gentlemen.«
»Da haben Sie keinen Mangel.«
»Oder warum besuchen Sie sie nicht, Cremuel? Sie haben einige ansehnliche Jungen in Ihrem Gefolge. Wissen Sie, dass der Ärmsten in ihrem Leben noch keine Komplimente gemacht worden sind?«
»Von ihrem Vater schon, denke ich.«
»Wenn ein Mädchen achtzehn ist, zählt ihr Vater nicht länger. Sie sehnt sich nach anderer Gesellschaft. Glauben Sie mir, ich weiß das, weil ich einst so dumm war wie alle Mädchen. In dem Alter will sie, dass ihr jemand Verse schreibt. Sie will jemanden, der ihr den Blick zuwendet und seufzt, wenn sie den Raum betritt. Geben Sie zu, dass wir das noch nicht versucht haben. Ihr zu schmeicheln, sie zu verführen.«
»Sie wollen, dass ich sie kompromittiere?«
»Das arrangieren wir ganz unter uns. Tun Sie es meinetwegen selbst, mir ist es egal, jemand hat mir gesagt, dass Mary Sie mag. Mir würde es gefallen zu sehen, wie Cremuel so tut, als wäre er verliebt.«
»Nur ein Narr würde sich Mary nähern. Ich denke, der König würde ihn töten.«
»Ich meine nicht, dass er sie sich ins Bett holen soll. Gott schütze mich, das würde ich keinem Freund aufzwingen wollen. Sie muss sich nur zum Narren machen, und das in aller Öffentlichkeit, damit sie ihren Ruf verliert.«
»Nein«, sagt er.
»Was?«
»Das ist nicht mein Ziel, und das sind nicht meine Methoden.«
Anne läuft rot an. Die Wut lässt Flecken auf ihrem Hals entstehen. Sie wird alles tun, denkt er. Anne kennt keine Grenzen. »Es wird Ihnen noch leidtun«, sagt sie, »so mit mir zu reden. Sie denken, Sie sind bedeutend genug, um mich nicht länger zu brauchen.« Ihre Stimme zittert. »Ich weiß, dass Sie mit den Seymours reden. Sie glauben, es ist ein Geheimnis, aber mir gegenüber gibt es keine Geheimnisse. Es hat mich schockiert, muss ich Ihnen sagen. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie Ihr Geld auf ein so lahmes Pferd setzen. Alles, was Jane Seymour hat, ist ihre Jungfernschaft, und was ist die am Morgen danach noch wert? Vorher ist sie die Königin seines Herzens und hinterher nichts als eine Schlampe, die ihre Röcke nicht unten behalten konnte. Jane hat weder Witz noch Aussehen. Sie wird Henry keine Woche halten können. Dann wird sie zurück nach Wolf Hall geschickt und vergessen.«
»Vielleicht ist es so«, sagt er. Die Möglichkeit, dass sie recht hat, besteht. Das will er nicht abstreiten. »Madam, es stand schon glücklicher zwischen uns. Früher haben Sie auf meinen Rat gehört, und der lautet heute: Geben Sie Ihre Pläne und Ränke auf. Befreien Sie sich von Ihrer Last. Gönnen Sie sich Ruhe, bis Ihr Kind geboren ist. Setzen Sie sein Wohlbefinden nicht aufs Spiel, indem Sie Ihren Geist aufwühlen. Sie haben selbst gesagt, Streit und Zwietracht können ein Kind zeichnen, noch bevor es das Licht der Welt erblickt. Beugen Sie sich den Wünschen des Königs. Was Jane betrifft: Sie ist blass und unscheinbar, oder? Tun Sie so, als sähen Sie sie nicht. Wenden Sie den Blick von den Dingen ab, die nicht für Sie bestimmt sind.«
Sie beugt sich auf ihrem Stuhl vor, die Hände um die Knie geschlossen. »Ich bin es, die Ihnen einen Rat gibt, Cremuel. Einigen Sie sich mit mir, bevor mein Kind geboren wird. Wenn es ein Mädchen wird, bekomme ich noch eins. Henry wird mich nie verlassen. Er hat lange genug auf mich gewartet, und es hat sich für ihn gelohnt. Dafür habe ich gesorgt. Wenn er sich von mir abkehrt, kehrt er sich auch von der großen, wunderbaren Arbeit ab, die in diesem Reich geleistet wurde, seit ich Königin bin – ich meine die Arbeit für das Evangelium. Henry wird nie nach Rom zurückkehren. Er wird sein Knie niemals beugen. Seit meiner Krönung gibt es ein neues England, und es kann nicht ohne mich fortbestehen.«
Das ist nicht so, Madam, denkt er. Wenn nötig, kann ich Sie aus der Geschichte herauslösen. Er sagt: »Ich hoffe, wir zerstreiten uns nicht. Ich will Ihnen nur raten, von Freund zu Freund. Sie wissen, ich bin, oder war, Familienvater. Ich habe meiner Frau in solchen Zeiten immer zur Ruhe geraten. Wenn es etwas gibt, was ich für Sie tun kann, sagen Sie es mir, und ich bin zur Stelle.« Er sieht sie an. Seine Augen funkeln. »Aber drohen Sie mir nicht, gute Madam. Das ist mir unangenehm.«
Sie fährt ihn an: »Das ist nicht meine Sorge. Achten Sie auf Ihren Vorteil, Master Sekretär. Wer aufsteigt, kann auch fallen.«
Er sagt: »Da bin ich ganz Ihrer Meinung.«
Er buckelt
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