Falken: Roman (German Edition)
bekomme Sie schon noch. Wenn ich es gelernt habe, einen Zaunpfahl nachzumachen. Einen aufrecht stehenden Stein. Eine Statue. Es gibt Statuen, die ihre Augen bewegen. Im Norden.«
»Ich habe ein paar von ihnen unter Verschluss. Im Kerker.«
»Kann ich den Schlüssel bekommen? Ich möchte sehen, ob sie die Augen immer noch bewegen, im Dunkeln, ohne ihre Wächter.«
»Bist du Papist, Anthony?«
»Vielleicht. Ich mag Wunder. Ich war ein Pilger zu meiner Zeit. Aber Cromwells Faust ist näher als Gottes Hand.« Am Weihnachtsabend singt Anthony die Königsballade »Pastime with Good Company«, ist selbst der König und trägt einen Teller als Krone auf dem Kopf. Er wächst vor deinen Augen, seine mageren Glieder werden fleischig. Der König hat eine komische Stimme, zu hoch für einen so gewichtigen Mann. Wir tun alle so, als fiele es uns nicht auf. Aber jetzt lacht er über Anthony und hält sich die Hand vor den Mund. Wann hat Anthony den König gesehen? Er scheint jede einzelne seiner Gesten zu kennen. Ich würde mich nicht wundern, denkt er, wenn Anthony all die Jahre am Hof herumgewuselt wäre und sich Tag für Tag hätte bezahlen lassen, ohne dass einer gefragt oder gewusst hätte, wofür und wie er es auf die Lohnliste geschafft hat: Wenn er den König nachmachen kann, dann auch leicht einen geschäftigen, nützlichen Burschen, ständig auf dem Sprung und mit Aufgaben, um die es sich zu kümmern gilt.
Der Weihnachtstag kommt. Die Glocken von Dunstans Kirche läuten. Schneeflocken treiben im Wind. Spaniels tragen Bänder. Es ist Master Wriothesley, der als Erster kommt. Zu seiner Zeit in Cambridge war Nennt-Mich ein großer Schauspieler, und seit einigen Jahren ist er für die Stücke im Hause Cromwell verantwortlich. »Geben Sie mir eine kleine Rolle«, hatte er ihn angebettelt. »Könnte ich ein Baum sein? Da muss ich nichts lernen. Bäume haben einen improvisierten Witz.«
»In Ostindien«, sagt Gregory, »können Bäume umherwandeln. Sie heben sich an den Wurzeln in die Höhe, und wenn der Wind bläst, vermögen sie an einen geschützteren Ort zu wandern.«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Ich fürchte, das war ich«, sagt Nennt-mich-Risley. »Aber es hat ihm so gut gefallen, ich bin sicher, es hat ihm nicht geschadet.«
Wriothesleys hübsche Frau ist als Maid Marion verkleidet, ihr offenes Haar reicht ihr bis zur Taille. Wriothesley selbst trägt Röcke, an die sich seine kleine Tochter klammert. Er lächelt albern und sagt: »Ich bin als Jungfrau gekommen. Die sind heute so selten, dass sie Einhörner losschicken, um nach ihnen zu suchen.«
»Gehen Sie und ziehen Sie sich um«, sagt er. »Das gefällt mir nicht.« Er hebt Master Wriothesleys Schleier an. »Sie sind nicht sehr überzeugend mit dem Bart.«
Nennt-Mich macht einen Knicks. »Aber ich brauche ein Kostüm, Sir.«
»Wir haben noch ein Wurmkostüm übrig«, sagt Anthony. »Oder Sie könnten eine riesige gestreifte Rose sein.«
»Die heilige Uncumber war eine Jungfrau, die sich einen Bart wachsen ließ«, versucht Gregory zu helfen. »Der Bart diente dazu, ihre Verehrer abzuwehren und so ihre Keuschheit zu bewahren. Frauen beten zu ihr, wenn sie ihre Ehemänner loswerden wollen.«
Nennt-Mich geht sich umziehen. Wurm oder Blume? »Sie könnten der Wurm in der Knospe sein«, schlägt Anthony vor.
Rafe und sein Neffe Richard kommen herein. Er sieht, wie sie einen Blick wechseln. Er nimmt Wriothesleys Tochter auf den Arm, fragt nach ihrem kleinen Bruder und bewundert ihre Haube. »Mistress, ich habe Ihren Namen vergessen.«
»Ich heiße Elizabeth«, sagt das Kind.
Richard Cromwell sagt: »Heißt ihr heute nicht alle so?«
Ich werde Nennt-Mich gewinnen, denkt er. Ich werde ihn ganz von Gardiner gewinnen, und er wird sehen, wo seine wahren Interessen liegen, und mir und seinem König treu sein.
Als Richard Riche mit seiner Frau kommt, bewundert er ihre neuen Ärmel aus rostrotem Satin. »Robert Packington hat mir sechs Schillinge dafür abgenommen«, sagt sie in aufgebrachtem Ton. »Und vier Pence fürs Füttern.«
»Hat Riche ihn bezahlt?« Er lacht. »Sie sollten Packington nichts zahlen. Das ermutigt ihn nur.«
Packington selbst kommt mit ernster Miene. Es ist offensichtlich, dass er etwas zu sagen hat, und zwar nicht nur »Wie geht’s?«. Sein Freund Humphrey Monmouth ist an seiner Seite, ein getreuer Anhänger der Textilgilde. »William Tyndale ist immer noch im Gefängnis und wird wahrscheinlich getötet, wie ich höre.« Packington
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