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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Jahreswechsel sind wir hier bei dir: ein Flüstern, eine Berührung, einen Atemhauch von dir entfernt.
    Vier Tage später erhält er in Stepney Besuch von Eustace Chapuys, dem Botschafter Spaniens und des Heiligen Römischen Reiches. Er kommt herein und wird von allen herzlich begrüßt. Die Leute treten zu ihm und wünschen ihm auf Latein und Französisch alles Gute. Chapuys ist Savoyer, er spricht etwas Spanisch, aber kaum Englisch, obwohl er langsam mehr versteht, als er spricht.
    In der City haben sich ihre beiden Haushalte verbrüdert, seit beim Botschafter an einem böigen Herbstabend ein Feuer ausbrach und seine wehklagende Dienerschaft, rußgeschwärzt und mit allem bepackt, was sie retten konnte, ans Tor in Austin Friars pochte. Der Botschafter verlor seine Möbel und seinen Kleiderschrank, und wer ihn sah, konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als Chapuys da in einem angebrannten Stück Vorhang mit nur einem Hemd darunter vor der Tür stand. Sein Gefolge verbrachte die Nacht auf Brettern auf dem Boden der Eingangshalle, und Schwager John Williamson stellte dem unerwarteten Gast und Würdenträger seine Kammer zur Verfügung. Am nächsten Tag hatte der Botschafter die Peinlichkeit zu ertragen, sich in geliehenen Kleidern zeigen zu müssen, die zu groß für ihn waren. Die einzige andere Möglichkeit wäre gewesen, sich in die Livree Cromwells zu kleiden, nur hätten sich Ruf und Laufbahn des Botschafters von solch einem Spektakel sicher nicht wieder erholt. Er, Cromwell, hatte gleich Schneider beauftragt, sich an die Arbeit zu machen. »Ich weiß nicht, wie wir die leuchtend flammenfarbene Seide ersetzen sollen, die Sie so mögen. Ich werde in Venedig danach suchen lassen.« Am nächsten Tag war er mit Chapuys unter den verkohlten Balken hergegangen. Der Botschafter ließ ein leises Stöhnen hören, als er mit einem Stock im nassen, schwarzen Schlamm stocherte, zu dem seine offiziellen Papiere und Unterlagen geworden waren. »Glauben Sie«, sagte er und hob den Blick, »dass die Boleyns dahinterstecken?«
    Der Botschafter hat Anne Boleyn nie anerkannt, ist ihr nie vorgestellt worden. Auf das Vergnügen muss er verzichten, hat Henry angeordnet, bis er bereit ist, ihr die Hand zu küssen und sie die Königin zu nennen. Chapuys fühlt sich der Königin im Exil von Kimbolton verpflichtet. Cromwell, sagt Henry, eines Tages werden wir Chapuys dazu bringen, der Wahrheit ins Auge zu blicken. Ich würde gern sehen, was er täte, wenn wir ihm Anne in den Weg stellten und er ihr nicht ausweichen könnte.
    Heute trägt der Botschafter einen erstaunlichen Hut, eher von der Sorte, wie sie George Boleyn trägt, als eine Kopfbedeckung für einen so gesetzten Würdenträger. »Was sagen Sie dazu, Cremuel?« Er neigt ihn in seine Richtung.
    »Sehr kleidsam. So einen muss ich mir auch besorgen.«
    »Erlauben Sie mir, ihn …« Chapuys nimmt ihn mit großer Geste vom Kopf, überlegt es sich dann aber anders. »Nein, er wird nicht auf Ihren großen Kopf passen. Ich werde Ihnen einen anfertigen lassen.« Er nimmt seinen Arm. »Mon cher, Ihre Leute sind wie immer eine Freude. Aber können wir ungestört reden?«
    Als sie für sich sind, greift der Botschafter an: »Es heißt, der König wird seinen Priestern zu heiraten befehlen.«
    Das trifft ihn unvorbereitet, doch er will sich seine gute Laune nicht verderben lassen. »Das hätte etwas für sich. Um die Heuchelei zu vermeiden. Aber ich kann Ihnen klar sagen, dass es dazu nicht kommen wird. Der König will davon nichts hören.« Er mustert Chapuys. Hat der Botschafter etwa gehört, dass Cranmer, der Erzbischof von Canterbury, heimlich eine Frau hat? Nein, das kann nicht sein. Wenn er es wüsste, würde er ihn bloßstellen und ruinieren. Sie hassen Thomas Cranmer, die sogenannten Katholiken, fast genau so, wie sie Thomas Cromwell hassen. Er bietet dem Botschafter seinen besten Sessel an. »Wollen Sie sich nicht setzen und ein Glas Claret trinken?«
    Chapuys will sich jedoch nicht ablenken lassen. »Ich höre, Sie wollen alle Mönche und Nonnen auf die Straße setzen.«
    »Von wem haben Sie das denn?«
    »Aus dem Munde der Untertanen des Königs.«
    »Hören Sie zu, Monsieur. Meine Beauftragten reisen durchs Land, und ich höre wenig anderes von den Mönchen als Bittgesuche, man solle sie aus den Klöstern gehen lassen. Und auch von den Nonnen. Sie ertragen die Knechtschaft nicht, kommen weinend zu meinen Männern und betteln um ihre Freiheit. Ich habe es in der Hand, den

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