Falken: Roman (German Edition)
schon zugefroren erlebt?« Keine Antwort. »Katherine ist stark, wissen Sie. Wenn es keinen neuen Schnee gibt und der König seine Erlaubnis erteilt, können Sie morgen reiten. Sie war auch früher schon krank und ist wieder auf die Beine gekommen. Sie wird Sie aufrecht im Bett sitzend empfangen und fragen, warum Sie gekommen sind.«
»Warum dieses Gerede?«, sagt Chapuys düster. »Das passt nicht zu Ihnen.«
Ja, warum? Wenn Katherine stirbt, ist das für England eine große Sache. Karl mag ihr liebender Neffe sein, wegen einer toten Frau wird er den Streit jedoch nicht fortsetzen. Die Gefahr eines Krieges wird gebannt sein. Eine neue Ära wird anbrechen. Er hofft nur, dass sie nicht leiden muss. Das hilft niemandem.
Sie machen am Steg des Königs fest. Chapuys sagt: »Ihre Winter sind so lang. Ich wünschte, ich wäre noch jung und in Italien.«
Der Schnee auf dem Anleger ist zur Seite geräumt. Der Botschafter ist in Turin ausgebildet worden. Die Art Wind gibt es hier nicht, die heulend wie eine gequälte Seele um die Türme fährt. »Die Sümpfe und die schlechte Luft vergisst man, nicht wahr?«, sagt er. »Da bin ich wie Sie, ich erinnere mich nur an die Sonne.« Er legt eine Hand unter den Ellbogen des Botschafters, um ihn aufs Trockene zu geleiten. Chapuys selbst hält seinen Hut fest. Die Quasten sind nass und tropfen, und der Botschafter sieht aus, als könnte er in Tränen ausbrechen.
Harry Norris ist der Gentleman, der sie begrüßt. »Ah, der sanftmütige Norris«, wispert Chapuys. »Es hätte schlimmer kommen können.«
Norris ist wie immer ein Muster an Höflichkeit. »Wir sind ein paar Durchgänge geritten«, sagt er auf Nachfrage. »Seine Majestät war bestens unterwegs. Sie werden ihn in guter Laune vorfinden. Im Moment ziehen wir uns für das Maskenspiel um.«
Wann immer er Norris sieht, erinnert er sich, wie Wolsey vor den Männern des Königs fliehend aus seinem Zuhause stolperte und sich in ein kaltes, leeres Haus in Esher flüchtete: Der Kardinal kniete im Schmutz und brabbelte seinen Dank, weil der König ihm durch Norris ein Zeichen seines guten Willens geschickt hatte. Wolsey kniete nieder, um Gott zu danken, aber es sah aus, als kniete er vor Norris. Ganz gleich, wie Norris heute um ihn herumschmeichelt, er kann dieses Bild nicht aus dem Kopf bekommen.
Im Palast prasseln die Feuer, und in der Hitze herrscht ein wildes Hin und Her. Musiker schleppen ihre Instrumente, und die höher gestellten Bediensteten kommandieren die niedriger gestellten mit scharf gebrüllten Befehlen herum. Als der König herauskommt, um sie zu begrüßen, hat er den französischen Botschafter an seiner Seite. Chapuys ist aus der Fassung gebracht. Eine übermäßige Begrüßung ist de rigueur . Küsschen, Küsschen. Wie elegant und mühelos Chapuys zurück in seine Rolle rutscht. Mit einer höfisch überschwänglichen Geste erweist er Seiner Majestät seine Reverenz. So ein erfahrener Diplomat kann selbst noch seine steifen Kniegelenke beschwatzen. Nicht zum ersten Mal erinnert ihn Chapuys an einen Tanzmeister. Den erstaunlichen Hut hält er an seiner Seite.
»Frohe Weihnachten, Botschafter«, sagt der König und fügt hoffnungsvoll hinzu: »Die Franzosen haben mir bereits wunderbare Geschenke gemacht.«
»Die Geschenke des Kaisers werden Ihre Majestät zu Neujahr erreichen«, tönt Chapuys. »Sie werden sie noch großartiger finden.«
Der französische Botschafter sieht ihn an. »Frohe Weihnachten, Cremuel. Heute kein Bowlsspiel?«
»Heute stehe ich Ihnen zur Verfügung, Monsieur.«
»Ich verabschiede mich«, sagt der Franzose. Er wirkt sardonisch, der König hat Chapuys bereits untergehakt. »Majestät, darf ich Ihnen zum Abschied noch einmal versichern, dass mein Master, König François, Ihnen von Herzen verbunden ist?« Sein Blick gleitet zu Chapuys. »Mit der Freundschaft Frankreichs können Sie sicher sein, unbelästigt zu regieren und Rom nicht länger fürchten zu müssen.«
»Unbelästigt?«, sagt er, Cromwell. »Nun, Botschafter, das ist gütig von Ihnen.«
Der Franzose schiebt sich mit einem knappen Nicken an ihm vorbei. Chapuys versteift sich, als der französische Brokat ihn touchiert, und rafft seinen Hut zur Seite, als wollte er ihn vor einer Verseuchung bewahren. »Soll ich den für Sie halten?«, flüstert Norris.
Aber Chapuys hat seine ganze Aufmerksamkeit auf den König gerichtet. »Katherine, die Königin …«, beginnt er.
»Die verwitwete Prinzessin von Wales«, sagt Henry
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