Falken: Roman (German Edition)
liebenswürdig.
»Ihr seht also«, sagt Jane zu ihren Brüdern, »dass wir Frauen uns nicht nur in müßigen Verleumdungen und Skandalgeschichten üben. Obwohl wir weiß Gott genug Klatsch kennen, um eine ganze Stadt voller Frauen damit zu beschäftigen.«
»Ist das so?«, sagt er.
»Wir reden darüber, wer in die Königin verliebt ist. Wer ihr Verse schreibt.« Sie senkt den Blick. »Ich meine, wer in uns alle verliebt ist. Dieser Gentleman oder jener. Wir kennen unsere Verehrer und besprechen sie von Kopf bis Fuß. Sie würden rot anlaufen, wenn sie es wüssten. Wir ziehen ihren Landbesitz in Betracht und wie viel sie im Jahr verdienen und entscheiden dann, ob wir ihnen erlauben, uns ein Sonett zu schreiben. Wenn wir nicht annehmen, dass sie uns ein schönes Auskommen zu bieten haben, verschmähen wir ihre Reime. Es ist grausam, sage ich Ihnen.«
Er sagt leicht beklommen, dass kein Schaden darin liege, Damen Verse zu schreiben, selbst verheirateten nicht, bei Hofe sei das üblich. Weston sagt, danke für die netten Worte, Master Cromwell, wir dachten schon, Sie würden vielleicht versuchen, uns Einhalt zu gebieten.
Tom Seymour beugt sich vor und lacht. »Und wer sind deine Verehrer, Jane?«
»Wenn du das wissen willst, musst du ein Kleid anziehen, dein Nähzeug nehmen und dich zu uns setzen.«
»So wie sich Achill unter die Frauen gemischt hat«, sagt der König. »Sie müssen sich Ihren schönen Bart abrasieren, Seymour, um hinter die unzüchtigen kleinen Geheimnisse Ihrer Schwester zu kommen.« Er lacht, doch er ist nicht glücklich. »Es sei denn, wir finden einen Mädchenhafteren für die Aufgabe. Gregory, du bist ein hübscher Junge, doch ich fürchte, deine großen Hände würden dich verraten.«
»Der Enkel eines Schmieds«, sagt Weston.
»Der kleine Mark«, sagt der König. »Der Musiker, kennen Sie ihn? Der hat ein hübsches, mädchenhaftes Gesicht.«
»Oh«, sagt Jane, »Mark ist sowieso bei uns. Er lungert ständig bei der Königin herum. Wir zählen ihn kaum als Mann. Wenn Sie unsere Geheimnisse erfahren wollen, fragen Sie Mark.«
Das Gespräch bewegt sich in eine andere Richtung. Er denkt: Ich habe gar nicht gewusst, dass Jane etwas sagen kann. Er denkt: Weston reizt mich, er weiß, dass ich ihm in Henrys Gegenwart nicht entgegentrete. Er überlegt, in welcher Form er ihn angehen wird, wenn es so weit ist. Rafe Sadler sieht aus dem Augenwinkel zu ihm herüber.
»So«, sagt der König zu ihm, »wie kann der morgige Tag besser werden als der heutige?« Dem Essenstisch erklärt er: »Master Cromwell kann nicht schlafen, wenn er nicht etwas verbessern kann.«
»Ich werde den Hut Ihrer Majestät ein besseres Benehmen lehren. Und jene Wolken, vor Mittag …«
»Wir wollten den Schauer. Der Regen hat uns abgekühlt.«
»Möge Gott Ihrer Majestät nichts Schlimmeres als einen Schauer schicken«, sagt Edward Seymour.
Henry reibt sich den Streifen Sonnenbrand. »Der Kardinal, er dachte, er könne das Wetter ändern. Kein schlechter Morgen, sagte er, aber gegen zehn wird es heller. Und das tat es.«
Henry macht das manchmal, bringt Wolseys Namen ins Gespräch ein, als hätte nicht er, sondern ein anderer Monarch den Kardinal in den Tod getrieben.
»Einige Menschen haben ein Auge fürs Wetter«, sagt Tom Seymour. »Das ist alles, Sir. Es müssen keine Kardinäle sein.«
Henry nickt und lächelt. »Richtig, Tom. Ich hätte nie eine solche Ehrfurcht vor ihm haben sollen, oder?«
»Er war zu stolz für einen Untertan«, sagt der alte Sir John.
Der König sieht ihn, Thomas Cromwell, den Tisch hinunter an. Er hat den Kardinal geliebt. Jeder hier weiß das. Sein Ausdruck ist so achtsam leer wie eine frisch gestrichene Wand.
Nach dem Essen erzählt der alte Sir John die Geschichte von Edgar dem Friedfertigen. Edgar war der Herrscher in dieser Gegend, vor vielen Hundert Jahren, bevor die Könige Nummern bekamen: als alle Mädchen schön waren, die Ritter galant und das Leben einfach, hart und für gewöhnlich kurz. Edgar hatte sich eine Braut erkoren und schickte einen seiner Earls, um sie in Augenschein zu nehmen. Der Earl, ein so lügnerischer wie durchtriebener Kerl, berichtete ihm, Dichter und Maler hätten bei ihrer Schönheit weit übertrieben, in Wirklichkeit, sagte er, hinke und schiele sie. Sein Ziel war es, die zarte Maid für sich zu gewinnen, und tatsächlich verführte und heiratete er sie. Als Edgar den Verrat des Earls entdeckte, lockte er ihn in einen Hinterhalt, in einem Gehölz
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