Falken: Roman (German Edition)
nicht weit von hier, und rammte ihm einen Speer in den Leib. Er tötete ihn mit einem Stich.
»Was für ein Schurke dieser Earl doch war!«, sagt der König. »Er hat seinen Lohn bekommen.«
»Der Earl war ein Dreckskerl«, sagt Tom Seymour.
Sein Bruder seufzt, als wollte er sich von dieser Bemerkung distanzieren.
»Und was hat die Lady gesagt«, fragt er, Cromwell, »als sie herausfand, dass man den Earl aufgespießt hatte?«
»Die Gute heiratete Edgar«, sagt Sir John. »Im grünen Wald haben sie sich geehelicht und lebten glücklich bis an ihr Ende.«
»Ich nehme an, sie hatte keine Wahl«, seufzt Lady Margery. »Frauen müssen sich anpassen.«
»Und das Landvolk sagt«, fügt Sir John hinzu, »dass der betrügerische Earl noch immer durch die Wälder zieht und sich stöhnend die Lanze aus dem Bauch zu ziehen versucht.«
»Sich das vorzustellen«, sagt Jane Seymour. »Jede Nacht, wenn der Mond scheint, könnte man ihn aus dem Fenster da draußen sehen, wie er zieht und klagt. Zum Glück glaube ich nicht an Geister.«
»Dann bist du eine Närrin, Schwester«, sagt Tom Seymour. »Sie schleichen sich an dich heran, mein Mädchen.«
»Trotzdem«, sagt Henry und mimt den Wurf eines Speers, wenn auch maßvoll, wie es am Essenstisch nötig ist. »Ein sauberer Treffer. Er muss einen guten Wurfarm gehabt haben, der König Edgar.«
Er, Cromwell, sagt: »Ich würde gern wissen, ob die Geschichte aufgeschrieben steht, und wenn, wer sie aufgeschrieben hat und ob er unter Eid stand.«
Der König sagt: »Cromwell hätte den Earl vor Richter und Geschworene gebracht.«
»Gesegnet sei Ihre Majestät«, kichert Sir John, »aber ich glaube nicht, dass es die damals schon gab.«
»Cromwell hätte schon eine Lösung gefunden.« Der junge Weston beugt sich vor, um seinen Beitrag vorzubringen. »Er hätte eine Jury ausgegraben, aus einer Pilzkultur. Dann wäre es mit dem Earl vorbei gewesen, sie hätten ihn verurteilt, hinausgeschafft und ihm den Kopf abgehackt. Es heißt, bei Thomas Mores Prozess ist unser Master Sekretär hier den Geschworenen in ihre Beratung gefolgt, und als sie alle saßen, hat er die Tür zugemacht und das Urteil festgelegt. ›Lassen Sie mich Ihnen alle Zweifel nehmen‹, hat er zu den Geschworenen gesagt. ›Ihre Aufgabe ist es, Sir Thomas für schuldig zu befinden. Es gibt nichts zu essen, bevor Sie das nicht getan haben.‹ Damit ist er hinausgegangen, hat die Tür geschlossen und mit einer Axt in der Hand draußen gewartet, nur für den Fall, dass sie ausbrechen wollten, um nach einem gekochten Pudding zu suchen; und da die Geschworenen Londoner waren, sorgten sie sich vor allem um ihre Bäuche – kaum fingen die an zu knurren, riefen sie: ›Schuldig! More ist so schuldig, wie man nur schuldig sein kann!‹«
Die Augen richten sich auf ihn, Cromwell. Rafe Sadler an seiner Seite ist vor Unmut ganz angespannt. »Eine hübsche Geschichte«, sagt Rafe zu Weston, »aber ich frage Sie, wo ist sie aufgeschrieben? Ich glaube, Sie werden herausfinden, dass sich mein Master mit den Gerichten immer korrekt verhält.«
»Sie waren nicht dabei«, sagt Francis Weston. »Ich habe es von einem der Geschworenen selbst. Sie riefen: ›Weg mit ihm, schafft den Verräter hinaus und bringt uns eine Hammelkeule.‹ Und Thomas More wurde hingerichtet.«
»Sie klingen, als bedauerten Sie es«, sagt Rafe.
»Nicht ich.« Weston hebt die Hände. »Königin Anne sagt, lasst Mores Tod all diesen Verrätern eine Warnung sein. Mag ihr Ansehen auch noch so groß sein, ihr Verrat noch so verschleiert, Thomas Cromwell wird sie überführen.«
Es gibt beipflichtendes Gemurmel, und einen Moment lang denkt er, die Gesellschaft werde sich ihm zuwenden und applaudieren. Da legt Lady Margery einen Finger an die Lippen und nickt dem am Kopf der Tafel sitzenden König zu, der sich langsam nach rechts neigt. Seine geschlossenen Lider flattern, und sein Atem geht ruhig und tief.
Die Gesellschaft tauscht Blicke. »Trunken von frischer Luft«, flüstert Tom Seymour.
Das ist eine Abwechslung von der Trunkenheit durch Trinken. Dieser Tage ruft der König häufiger nach dem Weinkrug als in seiner schlanken, unternehmungslustigen Jugend. Er, Cromwell, beobachtet, wie Henry auf seinem Stuhl vorkippt, als wollte er die Stirn auf den Tisch legen. Dann schreckt er auf, fährt hoch, und ein Sabberfaden rinnt ihm durch den Bart.
Das wäre der Moment für Harry Norris, den obersten der königlichen Kammerherren, Harry mit seinem
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