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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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ist und sie nicht mehr beeinflussen kann«, sagt Anne, »dürfen wir alle hoffen, dass sie nicht weiter stur bei ihren Irrtümern bleibt. Bei Gott, ich habe keinerlei Bedürfnis, sie versöhnlich zu stimmen. Aber ich denke, wenn ich den unguten Gefühlen zwischen dem König und Mary ein Ende setzen könnte, würde er mir dafür danken.«
    »Er wäre Ihnen tief verbunden, Madam, und es wäre ein Akt der Barmherzigkeit.«
    »Ich möchte eine Mutter für sie sein.« Anne wird rot, es klingt unwahrscheinlich. »Ich erwarte nicht, dass sie mich ›Mylady Mutter‹ nennt, aber sie sollte ›Ihre Hoheit‹ sagen. Wenn sie dem Willen ihres Vaters folgt, werde ich sie gern am Hof sehen. Sie wird einen ehrenvollen Platz bekommen, nicht weit unter meinem. Ich erwarte keine tiefe Ehrerbietung von ihr, sondern nur die gewohnte Form von Höflichkeit, die königliche Personen einander erweisen, in ihren Familien, die Jüngeren den Älteren gegenüber. Versichern Sie ihr, dass sie nicht meine Schleppe tragen muss, und sie wird auch nicht an einem Tisch mit ihrer Schwester, Prinzessin Elizabeth, sitzen müssen, sodass die Frage nach ihrer niedrigeren Stellung gar nicht erst aufkommt. Ich denke, das ist ein faires Angebot.« Er wartet. »Wenn sie mir den gebührenden Respekt erweist, werde ich bei gewöhnlichen Anlässen nicht vor ihr gehen, sondern Hand in Hand mit ihr.«
    Für jemanden, der so um seine Würde besorgt ist wie Anne, die Königin, ist das ein nie dagewesenes Bündel von Zugeständnissen. Aber er stellt sich Marys Gesicht vor, wenn sie ihr aufgezählt werden. Er ist froh, dass er nicht selbst dabei sein wird.
    Er wünscht ehrerbietig eine gute Nacht, doch Anne ruft ihn noch einmal zurück. Sie sagt mit gesenkter Stimme: »Cremuel, das ist mein Angebot, weiter gehe ich nicht. Ich habe mich dazu entschlossen, damit mir keiner etwas vorwerfen kann. Ich denke jedoch nicht, dass sie es annimmt, was uns beiden leidtun wird, denn dann sind wir dazu verdammt, bis zum letzten Atemzug miteinander zu kämpfen. Sie ist mein Tod, und ich bin ihrer. Sagen Sie ihr, ich werde dafür sorgen, dass sie mich nicht auslachen wird, wenn ich nicht mehr bin.«
    Er geht zu Chapuys’ Haus, um ihm sein Beileid zu bezeugen. Der Botschafter ist in Schwarz gehüllt. Ein eisiger Zug weht durch die Zimmer, der direkt vom Fluss zu kommen scheint, und Chapuys ist voller Selbstvorwürfe. »Wie ich wünschte, dass ich sie nicht verlassen hätte! Aber sie schien auf dem Weg der Besserung. Am Morgen hatte sie sich aufgesetzt, und sie hatten sie frisiert. Ich sah, wie sie etwas Brot aß, einen Mundvoll oder zwei, und dachte, das sei ein Fortschritt. Voller Hoffnung ritt ich heim, und innerhalb von Stunden blich sie dahin.«
    »Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Ihr Master wird wissen, dass Sie getan haben, was Sie konnten. Schließlich sind Sie hier, um den König im Auge zu behalten, da können Sie sich im Winter nicht zu lange von London fernhalten.«
    Er denkt: Ich bin seit dem Beginn von Katherines Prozessen hier; habe hundert gelehrte Männer gehört, tausend Anwälte und zehntausend Stunden Auseinandersetzungen miterlebt. Fast seit dem ersten Wort, das gegen ihre Ehe gesagt wurde, war ich dabei, denn der Kardinal hat mich auf dem Laufenden gehalten. Spätnachts bei einem Glas Wein sprach er vom großen Problem des Königs und wie es seiner Meinung nach ausgehen würde.
    Schlecht, sagte er.
    »Oh, dieses Feuer«, sagt Chapuys. »Nennen Sie das ein Feuer? Nennen Sie das hier ein Klima?« Rauch wirbelt an ihnen vorbei. »Rauch und Gestank und keine Wärme!«
    »Besorgen Sie sich einen Ofen. Ich habe Öfen.«
    »O ja«, stöhnt der Botschafter, »und die Dienerschaft stopft allen möglichen Abfall hinein, sodass die Dinger in die Luft fliegen. Oder der Kamin bricht zusammen, und Sie müssen übers Meer nach jemandem schicken, um ihn zu reparieren. Ich weiß über Öfen Bescheid.« Er reibt sich die blauen Hände. »Ich habe ihren Kaplan gebeten, wissen Sie. Wenn sie auf dem Totenbett liegt, habe ich gesagt, fragen Sie sie, ob Prinz Arthur sie entjungfert hat oder nicht. Alle Welt muss der Erklärung glauben, die eine Sterbende macht. Aber er ist ein alter Mann und hat es vor lauter Trauer und Sorgen vergessen. So werden wir niemals sicher sein können.«
    Das ist ein großes Eingeständnis, denkt er: dass die Wahrheit etwas anderes als das sein könnte, was uns Katherine all die Jahre erzählt hat. »Wissen Sie«, sagt Chapuys, »bevor ich

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