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Falken: Roman (German Edition)

Falken: Roman (German Edition)

Titel: Falken: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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treffen, aber um Himmels willen nicht mehr als das. Angenommen, ich habe das Pech, ihn vom Pferd zu holen? Kannst du dir vorstellen, wie es wäre, wenn er stürzte, und das durch einen Novizen wie mich?«
    »Da würde ich mir keine Sorgen machen«, sagt er. »Henry hat schon an Turnieren teilgenommen, da konnte er noch nicht laufen.«
    »Das ist ja die Schwierigkeit, Sir. Er ist nicht mehr so schnell, wie er es einmal war. Das sagen die Gentlemen. Norris sagt, er hat seine Furcht verloren. Norris sagt, du kannst es nicht schaffen, wenn du keine Angst hast, und Henry ist überzeugt, er ist der Beste, und fürchtet keinen Gegner. Aber du solltest deinen Gegner fürchten, sagt Norris. Das hält dich wach.«
    »Das nächste Mal«, sagt er, »lass dich gleich in die Mannschaft des Königs losen. Dann gehst du dem Problem aus dem Weg.«
    »Wie schafft man das?«
    Oh, lieber Gott. Wie schafft man irgendetwas, Gregory? »Ich lege ein Wort für dich ein«, sagt er geduldig.
    »Nein, tu das nicht.« Gregory ist bestürzt. »Wie würde sich das mit meiner Ehre vertragen? Wenn du mir den Weg ebnetest? Das muss ich selbst machen. Ich weiß, du weißt alles, Vater. Aber du hast nie auf der Liste gestanden.«
    Er nickt. Wenn du meinst. Sein Sohn klirrt davon. Sein lieber Sohn.
    Auch im neuen Jahr erfüllt Jane Seymour ihre Pflichten gegenüber der Königin. Ihr Ausdruck ist dabei auf die eine wie die andere Weise undurchdringlich, als bewegte sie sich in einer Wolke. Mary Shelton erzählt ihm: »Die Königin sagt, wenn Jane ihm nachgibt, ist Henry sie einen Tag später leid, und wenn sie es nicht tut, bald sowieso. Dann wird sie zurück nach Wolf Hall geschickt, und ihre Familie wird sie in ein Kloster sperren, weil sie ihr nicht länger nützlich ist. Und Jane sagt nichts.« Shelton lacht, wenn auch durchaus freundlich. »Jane hat nicht das Gefühl, dass es eine große Veränderung wäre, da sie sich im Augenblick in einer Art tragbarem Kloster befindet, gebunden durch ihre eigenen Gelübde. Sie sagt: ›Der Master Sekretär denkt, es wäre sündhaft, den König meine Hand halten zu lassen, auch wenn er mich anbettelt: Jane, geben Sie mir Ihre kleine Pfote. Und da der Master Sekretär in Kirchenfragen gleich hinter dem König kommt und ein sehr gottesfürchtiger Mann ist, halte ich mich an das, was er sagt.‹«
    Eines Tages packt Henry Jane, als sie vorbeigeht, und setzt sie sich aufs Knie. Es ist eine ausgelassene Geste, jungenhaft, ungestüm, nichts Schlimmes – das sagt er später, als er sich verlegen entschuldigt. Jane lächelt weder, noch sagt sie etwas. Sie sitzt ruhig da, bis sie wieder freigelassen wird: als wäre der König ein Klapphocker.
    Christophe kommt zu ihm und flüstert: »Sir, auf den Straßen heißt es, Katherine sei ermordet worden. Es heißt, der König habe sie in einen Raum gesperrt und verhungern lassen. Dass er ihr Mandeln geschickt und sie damit vergiftet hat. Es heißt, Sie hätten zwei Mörder mit Messern gedungen, und dass die ihr das Herz herausgeschnitten hätten, und als sie es untersuchten, stand Ihr Name in großen schwarzen Buchstaben darin eingebrannt.«
    »Was, in ihrem Herzen? ›Thomas Cromwell‹?«
    Christophe zögert. » Alors … Vielleicht waren es auch nur Ihre Initialen.«

 
     
     
    TEIL ZWEI

I
    Das Schwarze Buch
    London, Januar   –   April 1536
    Als er hört, wie jemand »Feuer!« schreit, dreht er sich um und schwimmt zurück in seinen Traum. Er glaubt, die Feuersbrunst ist ein Traum. Er träumt solche Dinge.
    Dann wacht er auf, weil Christophe ihm ins Ohr brüllt: »Aufstehen! Die Königin brennt!«
    Er ist aus dem Bett. Die Kälte schneidet in ihn hinein. Christophe schreit: »Schnell, schnell! Sie ist völlig eingeäschert!«
    Augenblicke später ist er auf der Etage der Königin. Der Geruch von versengtem Stoff hängt schwer in der Luft, und Anne sitzt, umringt von schnatternden Frauen, aber unversehrt, in schwarze Seide gehüllt auf einem Stuhl und hält einen Kelch mit angewärmtem Wein in Händen. Der Kelch wackelt, und etwas Wein schwappt heraus. Henry hat Tränen in den Augen und drückt sie und den Erben in ihr an sich. »Wenn ich nur bei dir gewesen wäre, mein Schatz. Wenn ich nur hier geschlafen hätte. Ich hätte dich gleich außer Gefahr gebracht.«
    Immer weiter redet er. Danke dem Herrn, der über uns wacht. Danke dem Gott, der England beschützt. Wenn ich nur. Mit einer Decke, einer Bettdecke, erstickt hätte ich es. Ich, sofort, in einem Moment, die

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