Falken: Roman (German Edition)
Sie sehen krank aus, Cranmer«, sagt der Herzog mit düsterem Genuss. »Ganz so, als könnten Sie das Fleisch auf den Knochen nicht halten. Ich kann’s auch kaum mehr.« Der Herzog schiebt sich vom Tisch zurück und rammt dem armen Kerl, der mit einem Krug Wein hinter ihm steht, einen Ellbogen in den Leib. Er steht auf, öffnet seinen Umhang und hält eine magere Wade hoch. »Was sagen Sie dazu?«
Das ist schrecklich, stimmt er, Cromwell, ihm zu. Es müssen die Demütigungen sein, die Thomas Howard bis auf die Knochen ausmergeln, oder? In Gesellschaft unterbricht ihn seine Nichte, fährt ihm ins Wort. Sie lacht über seine Heiligenmedaillen und die Reliquien, die er trägt. Einige von ihnen sind sehr heilig. Bei Tisch lehnt sie sich zu ihm hin, sagt: Komm, Onkel, nimm ein paar Brosamen aus meiner Hand, du siechst ja dahin. »Und das tu ich«, sagt er. »Ich weiß nicht, wie Sie das machen, Cromwell. Sehen Sie sich nur an, rund und kräftig unter den Kleidern, ein Oger würde Sie am Spieß braten.«
»Ja, ja«, sagt er mit einem Lächeln, »das ist das Risiko, das ich eingehe.«
»Ich glaube, Sie trinken ein Pulver, das Sie aus Italien haben. Das hält Sie in Form. Wollen Sie uns Ihr Geheimnis nicht verraten?«
»Essen Sie Ihre Götterspeise, Mylord«, sagt er geduldig. »Und falls ich von solch einem Pulver höre, werde ich Sie davon probieren lassen. Mein einziges Geheimnis ist, dass ich nachts schlafe. Ich lebe in Frieden mit meinem Schöpfer. Und natürlich«, fügt er hinzu und lehnt sich gemütlich zurück, »habe ich keine Feinde.«
»Was?«, sagt der Herzog. Seine Brauen schießen hoch in sein Haar. Er bedient sich noch einmal an Thurstons Götterspeisekreationen, an Scharlachrotem und Blasshellem, an luftigem Stein und blutigen Ziegeln. Während er die Götterspeise im Mund herumspült, gibt er Meinungen zu verschiedenen Themen zum Besten. Kurz zu Wiltshire, dem Vater der Königin. Der Anne richtig hätte erziehen und ihr Disziplin beibringen sollen. Aber nein, der Gute war vollauf damit beschäftigt, mit ihrem Französisch anzugeben und damit, was einmal aus ihr werden würde.
»Nun, geworden ist etwas aus ihr«, sagt der junge Surrey. »Oder etwa nicht, Mylord Vater?«
»Ich glaube, sie ist der Grund für mein Siechtum«, sagt der Herzog. »Sie weiß alles über Pulver. Es heißt, dass sie Giftmischer im Haus hat. Du weißt, was sie dem alten Bischof Fisher angetan hat.«
»Was denn?«, fragt der junge Surrey.
»Weißt du denn nichts, Junge? Fishers Koch wurde dafür bezahlt, ihm ein Pulver in die Brühe zu geben. Fast hätte es ihn umgebracht.«
»Das wäre kein Verlust gewesen«, sagt der Junge. »Er war ein Verräter.«
»Ja«, sagt Norfolk, »aber in jenen Tagen musste sein Verrat erst noch bewiesen werden. Wir sind hier nicht in Italien, Junge. Wir haben Gerichte. Nun, der alte Knabe hat’s überlebt, richtig erholt hat er sich jedoch nicht mehr. Henry hat den Koch bei lebendigem Leibe gekocht.«
»Ohne dass er gestanden hätte«, sagt er: er, Cromwell. »Also können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass die Boleyns dahintersteckten.«
Norfolk schnaubt. »Sie hatten ein Motiv. Mary sollte gut auf sich aufpassen.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, sagt er. »Obwohl ich nicht glaube, dass Gift die größte Gefahr für sie ist.«
»Was dann?«, fragt Surrey.
»Schlechter Rat, Mylord.«
»Sie denken, sie sollte auf Sie hören, Cromwell?« Der junge Surrey legt sein Messer zur Seite und beginnt zu klagen. Der Adel, jammert er, wird nicht mehr so respektiert wie in Englands großen Tagen. Der König schart heute Männer von niederem Rang um sich, und das nimmt kein gutes Ende. Cranmer beugt sich auf seinem Stuhl vor, als wollte er dazwischengehen, doch Surrey wirft ihm einen Blick zu, der sagt: Sie sind das beste Beispiel dafür, Erzbischof.
Mit einem Kopfnicken heißt er einen Pagen, das Glas des jungen Mannes aufzufüllen. »Sie stimmen Ihre Rede nicht auf Ihre Zuhörerschaft ab, Sir.«
»Warum sollte ich?«, sagt Surrey.
»Thomas Wyatt sagt, Sie lernen Verse schreiben. Ich liebe Gedichte, da ich meine Jugend unter Italienern zugebracht habe. Wenn Sie mir eine Gunst erweisen wollen, würde ich gern ein paar von ihnen lesen.«
»Zweifellos würden Sie das«, sagt Surrey. »Aber ich halte sie von meinen Freunden fern.«
Als er nach Hause kommt, läuft ihm sein Sohn entgegen, um ihn zu begrüßen. »Haben Sie gehört, was die Königin macht? Es wird Unglaubliches über sie berichtet.
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