Falken: Roman (German Edition)
Er wird nie zurückkehren.«
»Nein. Haben Sie Vertrauen in unseren guten Master, dass er die Kirche erhalten wird.«
Cranmer hört die Worte, die er unausgesprochen gelassen hat: Der König braucht Anne nicht, um ihm dabei zu helfen.
Obwohl es, sagt er zu Cranmer, schwer ist, sich an den König vor Anne zu erinnern. Sich ihn ohne sie vorzustellen. Sie schwebt um ihn, sieht ihm lesend über die Schulter, dringt in seine Träume. Selbst wenn sie neben ihm liegt, ist es ihr nicht nah genug. »Ich sage Ihnen, was wir tun werden«, sagt er und fasst Cranmers Arm. »Lassen Sie uns ein Essen veranstalten, was meinen Sie? Und dazu laden wir den Herzog von Norfolk ein.«
Cranmer zieht den Kopf ein. »Norfolk? Warum sollten wir das tun?«
»Zur Aussöhnung«, sagt er leichthin. »Ich fürchte, dass ich am Tag des königlichen Unfalls seine Ansprüche nicht … hmm … angemessen gewürdigt habe. In einem Zelt. Als er hereingerannt kam. Wohlbegründete Ansprüche«, fügt er ehrerbietig hinzu. »Denn ist er nicht unser ältester Peer? Nein, ich bedauere den Herzog von ganzem Herzen.«
»Was haben Sie getan, Cromwell?« Der Erzbischof ist blass. »Was haben Sie in diesem Zelt getan? Haben Sie Hand an ihn gelegt, wie Sie es, so hörte ich, kürzlich beim Herzog von Suffolk getan haben?«
»Was, bei Brandon? Den habe ich nur ein Stück geschoben.«
»Als er nicht geschoben werden wollte.«
»Es war zu seinem eigenen Besten. Hätte ich Charles beim König gelassen, hätte er sich in den Tower geredet. Er hat die Königin beleidigt, verstehen Sie?« Und jede derartige Aussage, jeder Zweifel muss von Henry kommen, aus seinem eigenen Mund, nicht aus meinem oder dem eines anderen Mannes. »Bitte, bitte«, sagt er, »lassen Sie uns zusammen essen. Sie müssen nach Lambeth einladen, zu mir wird Norfolk nicht kommen, da denkt er, ich will ihm ein Schlafmittel in den Claret mischen, um ihn an Bord eines Sklavenschiffes zu schaffen. Zu Ihnen kommt er gern. Ich besorge das Wild, und es gibt Götterspeise in Form der wichtigsten Burgen des Herzogs. Sie werden keine Kosten haben und Ihre Köche nicht damit belasten müssen.«
Cranmer lacht. Endlich lacht er. Es verlangt schon einiges, ihm auch nur ein Lächeln zu entlocken. »Wie Sie wünschen, Thomas. Wir werden zusammen essen.«
Der Erzbischof legt die Hände auf seine Oberarme und küsst ihn links und rechts auf die Wange. Es sind Friedensküsse. Das macht ihn, Cromwell, nicht ruhiger und beschwichtigt ihn nicht, als er durch den unnatürlich stillen Palast zurück in seine Räume geht: Keine Musik klingt von fern her, vielleicht ein Murmeln oder Beten. Er versucht, sich das verlorene Kind vorzustellen, die kleine Puppe, die Glieder knospend, das Gesicht alt und weise.
Wenige Männer haben so etwas gesehen. Er sicher nicht. In Italien hat er einmal einem Chirurgen ein Licht gehalten, während dieser im Dunkel der Nacht in einem verschlossenen Raum einen Mann aufschnitt, um zu sehen, wie er funktionierte. Es war eine schreckliche Nacht, der Geruch von Innereien und Blut verstopfte ihm die Kehle, und die Künstler, die um einen Platz gekämpft und Bestechungsgeld gezahlt hatten, versuchten ihn wegzuschieben: Aber er stand unverrückbar da, denn er hatte es garantiert, hatte gesagt, er werde das Licht halten. Und so war er unter den wenigen Erwählten, den Herausragenden, die sahen, wie Muskeln von Knochen gelöst wurden. In eine Frau hat er nie hineingesehen, schon gar nicht in einen schwangeren Körper. Kein Chirurg würde solch eine Arbeit vor Publikum durchführen, auch für Geld nicht.
Er denkt an Katherine, gesalbt und begraben. Ihr Geist befreit und auf der Suche nach ihrem ersten Mann: dahinwandernd, seinen Namen rufend. Wird Arthur erschrecken, wenn er sie sieht, eine so gedrungene, untersetzte Frau, während er noch ein dünnes Kind ist?
Der König Arthur des seligen Gedenkens konnte keinen Sohn bekommen. Und was geschah nach ihm? Wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass sein Ruhm von der Welt verschwand.
Er denkt an Annes Wahlspruch auf ihrem Wappen: »Die Glücklichste.«
Er hatte zu Jane Rochford gesagt: »Wie geht es Mylady, der Königin?«
Rochford hatte gesagt: »Sie hat sich aufgesetzt und jammert.«
Er hatte gemeint: Hat sie viel Blut verloren?
Katherine war nicht frei von Sünden, doch jetzt werden sie von ihr genommen. Sie werden auf Anne gehäuft: den Schatten, der ihr hinterherhuscht, die in Nacht gehüllte Frau. Die alte Königin weilt im
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