Falkengrund Nr. 33
Gewehre“, hörte er Baduwi. Erst nach einer Weile registrierte Enene, was der Mann damit sagen wollte. Es gab also noch einen unter ihnen, der lebensmüde war und sich vorstellen konnte, in das unterirdische Hauptquartier des Feindes einzudringen. Hatte auch er noch ein verborgenes Ass im Ärmel?
Es stand Zwei gegen Zwei. Rupe konnte man nicht fragen. Doch er, Enene, war der Boss. „Ich möchte alles sehen, was wir haben“, befahl er. „Dann entscheide ich.“ Er kam sich vor wie ein Militärkommandant, und die Rolle gefiel ihm kein bisschen. Aber er musste das Heft in die Hand nehmen, solange man ihn noch ließ.
„Ich habe nichts“, gab Baduwi zur Auskunft. „Nur die Kalaschnikow.“
„Ich besitze nichts als meinen Glauben“, behauptete Quirinius, der unter ihnen vor dem Loch stand und mit einem fast schon sehnsüchtig zu nennenden Blick hinabsah.
Enene kletterte zu ihm hinunter. „Heben Sie Ihre Kutte hoch“, forderte er.
Der Mönch lachte auf. „Sind Sie verrückt geworden?“
„Zeigen Sie mir, was sie verstecken, und vielleicht gestatte ich Ihnen …“
„Sie haben mir nichts zu gestatten.“ Quirinius rannte los, auf dem schmalen, stufenlosen Rand. Bei seinem Leibesumfang sah das seltsam aus. Und sehr riskant.
Enene verfluchte die Situation. „Langsam!“, rief er. „Machen Sie doch langsam!“ Ehe er es recht begriffen hatte, war auch er auf den Absatz gestiegen und tastete sich hinab, die rechte Hand an der glatten, metallischen Außenwand. Der Weg schraubte sich linksdrehend in die Tiefe. Links von ihm gähnte ein vollkommen lichtloser Abgrund. Merkwürdig stickige, bittere Luft stieg im Schacht empor. Es wurde viel zu rasch dunkler, das bunte Flimmern der Maschinenwelt drang nicht weit in diese Finsternis vor.
Omoba und Baduwi erreichten eben das Loch. Sie hatten für den Abstieg einen weniger steilen Weg gesucht. Noch immer trugen sie den Käfig bei sich. „Bleiben Sie dort“, schrie Enene nach oben, während er langsam weiterging. „Ich hole diesen Verrückten zurück, und wir kehren um. Quirinius! Bruder Quirinius! Halten Sie an – Sie sehen ja nicht mehr, wo Sie hintreten!“
Omoba brummte etwas. Als Enene wieder hinaufsah, wurde die Öffnung von einem kantigen Schatten verdeckt. Vor Zorn schlug er mit der Faust gegen die Wand. Das konnte doch nicht wahr sein – Omoba und Baduwi machten sich ebenfalls auf den Weg in die Tiefe! Sie mussten herausgefunden haben, dass die Tragestange genau die richtige Länge hatte, um den Käfig durch den Schacht zu schrauben. Solange sie in gleicher Geschwindigkeit gingen, war das kein Problem. Zu diesem Zweck hatten sie ein langsames, monotones Lied angestimmt, in dessen Rhythmus sie einen Fuß vor den anderen setzten. Rupe schwebte in ihrem Gefängnis mitten über dem Abgrund. Sie war ruhig geworden wie ein zahmes Hündchen, lag flach auf dem Boden des Käfigs und starrte nach unten. Ihre weiblichen Formen zeichneten sich als Silhouette ab.
Hatten die beiden vollkommen den Verstand verloren? Ein Fehltritt, und sie stürzten gleich alle miteinander in die Tiefe, das Mädchen eingeschlossen. Der Käfig – die Stange – irgendetwas würde sicher auch Enene und den Mönch treffen. Mit einer winzigen Messerspitze Pech würden sie in einem solchen Fall alle fünf daran glauben müssen.
„Zurück!“, brüllte er. „Ihr Idioten schneidet uns den Fluchtweg ab. Und Bruder Quirinius – kommen Sie endlich zur Besinnung!“
„Wozu?“, klang die Stimme sachlich herauf. „Der Rückweg ist ja sowieso versperrt.“
Enene drückte sich gegen die Wand und atmete tief durch. Über ihm drehte sich der Käfig an der Stange langsam, aber unaufhaltsam weiter herab, wie die Schraube einer Presse, die jemand immer weiter anzog. Ihm fiel ein, dass er im Handschuhfach des Vans eine Taschenlampe gesehen hatte. Natürlich wusste er nicht, ob sie funktionierte. Er hätte es wenigstens ausprobieren sollen, aber nun trennten ihn Welten davon.
Notgedrungen setzte er den Abstieg fort. Der Absatz, auf dem er ging, war nur noch schwach gegen das totale Schwarz zu erkennen. Er konnte froh sein, den Mönch vor sich zu wissen. Falls der Sims jäh ein Ende nahm, würde wenigstens der Mann es als erster erfahren, der ihn in diese Situation gebracht hatte.
Enene schätzte seine Position auf zwölf bis fünfzehn Meter unter der Erde. Geräusche drangen von unten herauf, die nicht von Quirinius stammen konnten. Knistern, Knacken. Und das Summen, das er die ganze Zeit
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