Falkengrund Nr. 33
Schatten zu suchen, hatte er sich das anders vorgestellt.
Immer wieder blieben seine Blicke an den befremdenden Details der Apparaturen hängen. Nebelgeister schwebten ziellos durch den Raum, verpufften oder verschwanden in den bunten Röhren. Es gab nicht einmal einen Durchgang, einen Korridor durch diese Fabrik.
Als ihn seine Augen schmerzten, schloss er die Lider und rieb sie sich mit den Fingern. Das Summen war noch immer da, lauter jetzt. Mittlerweile fühlte es sich an wie das Mahlen eines riesigen Mühlrads irgendwo unter seinen Füßen. In der Tiefe.
Es hat mit Dämonen nichts zu tun , sprach er zu sich. Das hier muss in der Tat außerirdischen Ursprungs sein. Der Gedanke, der dafür gemünzt war, ihn zu beruhigen, machte ihn nur noch nervöser. Als angehender Schamane hatte er sich mit Geistern und Göttern beschäftigt. Beide hatten ihren festen Platz in der Yoruba-Mythologie. Egun nannte man die Seelen der Verstorbenen im Jenseits. Orisha hießen die Götter oder Engel. Ihre Zahl war geringer, und sie entstanden aus den Egun . All das half ihm hier nicht weiter. Die Weiten des Weltalls hatten sich aufgetan und der Erde eine Gefahr geschickt, auf die die Alten ihre Nachkommen nicht hatten vorbereiten können.
Er unterbrach den Gedanken, öffnete die Augen und musste überrascht feststellen, dass das Himmelfahrtskommando bereits in vollem Gang war. Omoba und Baduwi hatten den Käfig aus dem Van gehoben und trugen ihn an der Tragestange wie eine Sänfte die schiefe Ebene empor in diese Maschinenwelt hinein. Rupe hielt sich an den Gitterstäben fest, um nicht hin und her geworfen zu werden, und musterte ihre Umgebung. Noch vor ihnen ging Bruder Quirinius!
Der Mönch mit dem verdorrten Gesicht und der ungewöhnlichen Körperfülle hatte freiwillig die Vorhut übernommen. Mit weit ausgestreckten Armen balancierte er über den unebenen Untergrund. Als er zuvor im Wagen so still gewesen war, hatte er vermutlich seine Gebete gesprochen. Nun schien er frisch gestärkt und fest entschlossen, den Mächten der Hölle unverzagt entgegenzutreten. Er ging zielstrebig vorwärts, beinahe, als kenne er sich hier aus.
Enene war plötzlich zur Nebenperson geworden. Fasziniert folgte er der Gruppe. Er war den Schatten schnell auf die Spur gekommen, zu schnell vielleicht. Ihm blieb keine Zeit mehr, eine Strategie zu entwickeln. Seine Begleiter übernahmen die Kontrolle. Zwar schienen keine der Wesen hier zu sein, doch die Technologie, die sie geschaffen und zurückgelassen hatten, war eindrucksvoll und unheimlich.
Ein Drittel der langgezogenen Fabrikhalle durchquerten sie ohne Mühe. Lebendige Nebelschleier umkreisten sie, schienen ihnen weder freundlich noch feindlich gesinnt. Waren es doch nur physikalische Phänomene, polarisierte Gaswolken, die von komplexen elektrischen Feldern angezogen und abgestoßen wurden? Auch Metallspäne im Einflussbereich von Magneten konnten auf den ersten Blick lebendig erscheinen, für Kinderaugen zum Beispiel.
Die Elektrizität war körperlich zu spüren. Die Haare stellten sich auf, die Kleidung knisterte, die Luft roch nach Ozon. In den hinteren Nischen der Maschinenwelt flammten Blitze auf wie von fernen Gewittern, in allen Farben des Regenbogens. Enene fiel es schwer, den Anschluss zu halten, obwohl er nichts zu tragen hatte. Überall gab es etwas zu sehen, und es drängte ihn zum Verweilen und Beobachten. Ringe aus farbigem Licht schwebten langsam an ihnen vorüber, laserartige Strahlen malten komplizierte geometrische Gebilde in den Nebel. Er verfolgte gebannt, wie sich der flimmernde Boden unter seinen Füßen veränderte, wenn er fest auftrat. Die von rasenden Lichtreflexen durchsetzte Oberfläche bildete dort neue Muster aus, die sich wieder nach allen Seiten verbreiteten, als vermesse ein gewaltiger, alles einhüllender Computer nicht nur die exakte Größe seiner Füße, sondern auch sein Gewicht, seine Geschwindigkeit und alles, was es an ihm zu messen gab.
Wir sind nicht unbemerkt hier , dachte er. Die anderen drangen immer schneller vor, und er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie in eine Falle liefen.
Der Käfig begann heftig hin und her zu schwingen. Ein blaugrüner Lichtbogen lief genau durch das Innere des Käfigs, und Rupe, die ihn zu fangen versuchte wie eine Katze den Lichtschein einer Taschenlampe, ließ ihr Gefängnis gefährlich pendeln. Die Träger stöhnten, denn sie befanden sich auf einem schmalen Steg, und die ständige Gewichtsverlagerung
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