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Falkengrund Nr. 34

Falkengrund Nr. 34

Titel: Falkengrund Nr. 34 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Der Tag war frisch, aber frei von Niederschlägen. Der Kutscher, ein schwindsüchtig wirkender Kerl, der kaum die Peitsche halten konnte und beim Aufladen der Kisten nicht Hand angelegt hatte, pfiff seine unmusikalischen Versionen englischer Volkslieder, bis sich Sir Darren etwas wünschte, mit dem er sich die Ohren verstopfen konnte. Der Mann roch ein bisschen wie seine Pferde. Wahrscheinlich schlief er bei ihnen.
    Die Landschaft um den Lake Easton war ein waldreicher, hügeliger Landstrich nordöstlich von London. Sie kamen durch Dörfer, die keine zehn Häuser zählten, und in einem davon liefen drei in Lumpen gekleidete, sonnenverbrannte Kinder hinter ihnen her und riefen: „Der Geisterfinder! Der Geisterfinder!“ Ungewöhnliche Neuigkeiten verbreiteten sich rasch. Sir Darren ahnte, dass sie nicht mehr lange unterwegs sein würden.
    Der Lake Easton lag hinter hohen Bäumen freundlich glitzernd im Sonnenlicht. Dutzende und Aberdutzende von braunen Enten zogen ihre Kreise, und im seichten Wasser am Ufer schlängelten sich kleine, schlanke Fische, die mit der Zeichnung nichts gemein hatten. Der Lokalität haftete so gar nichts von einem Spukort an.
    In der Nähe eines baufälligen Stegs hielten sie. Nahe am Ufer war dort ein Floß festgemacht, das sanft schwankte. Als Sir Darren ausstieg und es skeptisch musterte, trat Carnacki zu ihm. „Eine Spezialanfertigung, vor vierundzwanzig Stunden erst in Auftrag gegeben. Es gibt Landstriche, da ist auf Handwerker noch Verlass.“ Er wirkte ungewöhnlich erleichtert, als hätte er in Wirklichkeit nicht damit gerechnet, dass es fertig wurde, ehe er eintraf.
    „Wozu ist das gut?“
    „Warten Sie ab.“
    Noch während sie die Kisten abluden, legte sich der Kutscher auf den Kutschbock und begann mit Todesverachtung ein Schläfchen. „Möchten Sie den See einmal umrunden?“, fragte Carnacki. „Ich habe es bereits getan. Es dauert nicht ganz eine Stunde.“
    Sir Darren machte eine verneinende Handbewegung. Er balancierte auf den intakten Planken des Stegs bis zu dessen Ende, schloss die Augen und öffnete seine Sinne für die Atmosphäre dieses Ortes. Innerlich gab er einen Ruf in Richtung Geisterwelt ab. Es war kein ernsthafter Versuch der Kontaktaufnahme mit dem Jenseits – dazu hätte er mehr Ruhe gebraucht. Doch falls ein sehr starkes Phänomen hier wirkte, konnte er möglicherweise eine leichte Regung spüren, ein Flüstern hören.
    Und da war etwas.
    Es kam wie eine Welle vom See her auf ihn zu. Eine Stimme. „Noooo!“, brüllte sie, unhörbar für die Ohren, und doch wahrnehmbar. Sir Darren prallte zurück, überrascht von so viel spontaner Energie, trat auf ein Brett, das einknickte. Er konnte gerade noch wegspringen, ehe sein Fuß eingebrochen wäre.
    Carnacki, der damit beschäftigt war, die erste Kiste zu öffnen, wurde von dem Krachen der Planke aufgeschreckt und kam angerannt. „Was ist los?“
    „Haben Sie nichts gespürt?“
    Der Geisterdetektiv zögerte. „Doch, natürlich“, behauptete er schließlich, und Sir Darren ahnte, dass er log. Er war nicht aufnahmebereit gewesen, aber sein Stolz verbat ihm, das zugeben. „Ich werde es bald sichtbar machen.“
    „Bald“ war eine abenteuerliche Übertreibung. Carnacki brauchte nervtötende neunzig Minuten, um sein Elektrisches Pentakel auszupacken und auf dem Floß zusammenzusetzen. Am Ende schloss er eine Batterie an, und als er das Gerät probeweise einschaltete, glomm in dem ineinander verschlungenen Röhrensystem ein kaum sichtbares bläuliches Licht auf. Im Dunkeln mochte es nett anzusehen sein, bei Tageslicht jedoch wirkte es schwach und sinnlos. In der Mitte des Floßes war eine Klappe angebracht, die sich öffnen ließ. Sie hatte die Form eines fünfzackigen Sterns und war nur wenig kleiner als das Elektrische Pentakel. Das war also die Spezialanfertigung – nicht gerade eine Sensation.
    „Eines ist mir noch unklar“, meinte Sir Darren. „Ist es nicht der Sinn des Pentakels, uns zu schützen? Dazu müssen wir uns in seinem Inneren aufhalten – auf der Klappe. Sollen wir etwa von dort aus hinabtauchen?“
    Carnacki schmunzelte. „Im Prinzip wäre das denkbar. Ich glaube sogar, dass es gelingen könnte, einen geschützten Schacht mit fünfzackigem Umriss in die Tiefe des Sees zu schieben, in dessen Innerem wir uns von übersinnlichen Einflüssen geschützt bewegen könnten. Aber mir ist es nicht nach einem Bad zumute. Ich werde die Apparatur diesmal als Schutzwall in umgekehrter Richtung

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