Falkengrund Nr. 34
entpuppten sich als Spinner, die sich als persönliche Vertraute von Nostradamus ausgaben …
Es war der 22. Februar, als eine Laune Sir Darren ans Themseufer führte, auf den Cheyne Walk. Er wollte das Gebäude noch einmal sehen, in dem er damals Carnacki und seiner Haushälterin Noreena Stryker begegnet war. Aus heutiger Sicht kam ihm alles buchstäblich wie ein Traum vor, kein Wunder, wenn man bedachte, dass die Ereignisse um die drei dunklen Seen beinahe ein Jahrhundert zurücklagen.
Der Dozent fand das Haus mit der Nummer 472 auf Anhieb. Seine zurückgesetzte Position war ihm noch im Gedächtnis. Der dichte Vorgarten hatte vier Parkplätzen weichen müssen, und das Haus war renoviert und in einem scheußlichen Blassgelb gestrichen worden, doch es handelte sich ohne Zweifel um jenes, das er damals betreten hatte. In seltsam ausgelassener Stimmung näherte er sich der Haustür, suchte den Namen des neuen Bewohners und nahm sich fest vor, nicht zu erschrecken, falls dort „Carnacki“ oder die Initialen „TC“ standen.
Enttäuscht stellte er fest, dass ein Schild nicht existierte. Ein erstaunlich kleines und provisorisch wirkendes Stück Papier klebte schräg auf der Tür und verkündete, das Haus sei zu vermieten. Sir Darren, der Lust bekam, einen Blick auf das Interieur zu werfen, steuerte die nächste Telefonzelle an und wählte die auf dem Zettel vermerkte Nummer.
Es meldete sich eine junge Frauenstimme. Sie bat ihn, in etwa einer Stunde vor dem Haus auf sie zu warten – sie sei die Maklerin und würde ihn persönlich herumführen. Er hatte den Eindruck, dass sie Kreuzworträtsel lösend neben dem Telefon gewartet hatte. Offenbar handelte es sich um ein winziges Maklerbüro, das nicht gerade in Aufträgen ertrank.
Pünktlich zur verabredeten Zeit hielt ein weißer MG Midget quer auf den Parkplätzen, und eine blonde Frau in engen Jeans und Fransenbluse stieg aus, die auf der hübschen Nase eine überdimensionale rote Brille balancierte und alles in allem aussah, als wäre sie dem Hippiezeitalter entsprungen.
„Ein Oldtimer“, stellte Sir Darren anerkennend fest.
„Baujahr 73“, lächelte die Maklerin. „Wie ich. Dann bin ich wohl auch ein Oldtimer.“
Wie es sich für einen Gentleman gehörte, entschuldigte er sich für seine Worte, obwohl sie es gewesen war, die eine taktlose Bemerkung daraus gemacht hatte.
„Hübsches Haus“, plapperte sie, während sie ein halbes Dutzend Schlüssel durchprobierte. „Leider steht es die meiste Zeit über leer.“
„Ach ja? Warum denn das?“
Sie griente ihn an und stemmte ihre Hände gegen die drallen Hüften. „Nichts da! Wenn ich Ihnen das verrate, kommen wir zwei nicht ins Geschäft.“ Inzwischen hatte sie die Tür übermütig aufgestoßen und bedeutete ihm vorauszugehen.
„Schimmelpilze“, versuchte er zu raten. „Ungeziefer. Laute Nachbarn.“
„Viel schlimmer“, sagte sie und zog eine Grimasse. „Es spukt.“
„Es spukt ?“
„Ja. Man sieht keine Gespenster oder so, aber … da sind Geräusche, die es nicht geben dürfte, die Stimme eines Mannes, merkwürdige Lichterscheinungen und unangenehme Gerüche. Wir haben keine Erklärung dafür.“ Sie machte eine Schnute. „Jetzt habe ich Sie wirklich verschreckt, oder?“
„Nicht unbedingt“, meinte Sir Darren. „Ich interessiere mich für solche Dinge. Und mir imponiert Ihre Ehrlichkeit.“
„Mir nicht“, entgegnete sie schnell. „Ich könnte reich sein, wie meine Kollegen, wenn ich nicht die dumme Angewohnheit hätte, die Leute mit der Wahrheit zu erschlagen.“ Sie machte eine fahrige Handbewegung. „Möchten Sie das Haus immer noch sehen?“
„Jetzt noch mehr als vorher“, behauptete er, und das war keine Lüge, obwohl er natürlich keine Sekunde daran dachte, tatsächlich hier einzuziehen. Gespannt betrachtete er sich die Räumlichkeiten. Der Flur hatte sich stark verändert, doch der braune Salon war beinahe der alte geblieben. Mit klopfendem Herzen berührte er die Lehne des riesigen Ohrensessels, in dem er vor 95 Jahren einmal gesessen hatte. „Es kommt mir alles sehr vertraut vor“, murmelte er.
„Das hat man manchmal“, sagte sie.
Sir Darren war basserstaunt, als sie in die Bibliothek kamen. Seinerzeit hatte er nur einen kurzen Blick hineinwerfen können. Die Bücher waren noch da. Ein Blick auf die Regale verriet ihm, dass mehrere Mieter der Sammlung neue Werke hinzugefügt hatten, vom Kochbuch bis zum Gesundheitsratgeber, so dass ein thematisches
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