Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 1 Schnitt
ihres Kleides und ihrer Haare vor der hellen Wand.
Piet aß ruhig zu Ende, stopfte sich sämtliche Äpfel aus dem Obstkorb in die Taschen seiner Weste, wo schon das Päckchen mit den Schmerztabletten steckte, und ging nach unten. Er hatte nicht vor, sein Labor in den nächsten zwölf Stunden zu verlassen. Dr. Fischer hatte ganze Arbeit geleistet. Seine Sehkraft nahm beständig zu.
Vorsichtig legte er den Film in einen Spezialprojektor. Das Gerät hatte 120.000 Mark gekostet, denn es behandelte die Filme, die es abspielte, höchst schonend, setzte sie keiner Spannung aus und schaltete in Sekundenbruchteilen ab, sobald der Film zu haken oder zu klemmen begann.
Diese Maschine war zärtlicher zu den alten, empfindlichen Filmen, als eine menschliche Hand es sein konnte.
Piet spürte sofort, dass es sich um einen 16mm-Film handelte, ein Format, das nicht nur im professionellen Bereich, sondern früher auch von Amateuren eingesetzt worden war. Der Projektor wurde mit zwei Dutzend verschiedenen Formaten fertig – das Gerät ertastete sorgfältig die Breite des Filmstreifens und den Abstand der Perforation, ehe es mit der Wiedergabe begann.
Piets Herz klopfte bis zum Hals. Er nahm zwei von den Tabletten und warf die Maschine an. Auf einem Monitor erschien ein blasses, graubraunes, verwaschenes Bild. Er starrte darauf, ohne etwas zu erkennen. Aus den Lautsprechern klang ein rhythmisches Wummern, wie von Trommeln. Es brach immer wieder ab und begann von Neuem. Manchmal glaubte er das Pfeifen des Windes zu hören, dann das Prasseln von Feuer. Ab und an mischten sich die Stimmen von Tieren darunter. Schreie.
Er kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas zu erkennen. Irgendetwas. Doch die schlechte Qualität des Filmes, zusammen mit seinen noch nicht vollständig geheilten Augen, gab ihm keinen Anhaltspunkt.
Den ganzen Nachmittag lang spielte er den Film ab. Bis er vor Erschöpfung im Sitzen einschlief, den Kopf auf den Tisch neben das Gerät gelegt.
In seinen Träumen reihten sich wilde Kampfszenen aneinander, in denen Tiere im gnadenlosen Überlebenskampf gegeneinander antraten. Riesige, zottige, schwarze Bären wurden von affenartigen Geschöpfen mit Keulen geschlagen oder von Wurfgeschossen getroffen. Doch die Bären wehrten sich. Ihre scharfen Krallen blitzten auf und verspritzten das Blut ihrer Angreifer in alle Richtungen.
Die einzelnen Szenen waren kurz, nur wenige Sekunden lang. Doch sie glichen sich. Es war nicht zu sagen, ob sie zu ein und demselben oder zu verschiedenen Kämpfen gehörten.
Dazwischen gab es andere Szenen, die er nicht verstand. Laute, die die Menschenaffen ausstießen. Zeichen, die sie machten. Er spürte intuitiv, dass diese Dinge von großer Bedeutung waren, aber er konnte ihren Sinn nicht entschlüsseln.
Der Traum endete mit einem Sturz in ein Gewässer, einen Fluss. Er versuchte zu schwimmen, doch die Strömung riss ihn fort, wirbelte ihn herum, zog ihn in eine dunkle Tiefe, aus der es keinen Ausweg mehr gab.
Die Echtheit der Situation ließ ihn erwachen. Schweißgebadet und keuchend richtete er sich auf und sah sich um. Er konnte nicht sagen, wie lange er geschlafen hatte.
Eine Sicherung hatte das Gerät, neben dem er geschlafen hatte, automatisch abgeschaltet. Dies sollte verhindern, dass die Maschine zu heiß wurde und den Film beschädigte.
Kopfschüttelnd ließ er den Film ein weiteres Mal ablaufen. Diesmal starrte er mit aufgerissenen Augen auf den Schirm, bis die Tränen in Bächen von seinem Gesicht tropften.
Noch immer konnte er nichts erkennen, aber die Geräusche, die aus den Lautsprechern kamen, legten sich über den Traum, den er gehabt hatte – und passten! Wenn er sie hörte, schienen die kurzen, bruchstückhaften Szenen aus seinem Traum vor seinem geistigen Auge aufs Neue zu entstehen!
Atemlos schaltete er die Maschine ab und entnahm ihr den Film. Er dachte nach, versuchte zu begreifen, was sich eigentlich ereignete.
Seine wunden, frisch operierten Augen hatten auf dem Monitor nichts gesehen. Das zumindest glaubte er.
Aber irgendetwas in ihm musste den Film dennoch gesehen haben, sonst hätte er sich nicht so deutlich in seinen Träumen abspielen können.
Was geschah mit ihm? Was er da erlebte, war nicht mehr mit den Begriffen zu beschreiben, die sein Leben bisher bestimmt hatten. Es war, als hätte er einen Schritt in eine höhere Wirklichkeit hinein gemacht. Etwas, das mit dieser Welt zusammenhing, sie aber überstieg.
Hatte er – einen neuen Sinn
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