Falkenhof 02 - Auf der Spur des Falken
er ihn und tauchte in der Menge unter.
Jana und Sadik hatten ihn inzwischen eingeholt.
»Was hat er gesagt?«, fragte Jana.
»Er hat den Koran verschenkt. An eine Dame! Und er hat jetzt Wichtigeres zu tun, als mir darüber Auskunft zu geben, wie diese Dame heißt und wo sie wohnt«, teilte er ihnen erbost mit. »Vielleicht später, meint er.«
Jana ließ enttäuscht die Schultern sinken. »Einen günstigeren Tag hätten wir uns wohl auch nicht aussuchen können«, meinte sie sarkastisch. »Ausgerechnet heute muss hier so etwas passieren!«
»Warten wir eben, bis sich die Aufregung gelegt und sich die Menge verlaufen hat.« Sadik schickte sich in das Unvermeidliche.
Es sah jedoch nicht so aus, als würde sich die Menge verlaufen. Ganz im Gegenteil. Die Nachricht von der Beschlagnahmung der Druckerei verbreitete sich wie ein Lauffeuer und drang auch aus dem Palais Royal in die benachbarten Straßen. Immer mehr Menschen strömten unter die Kolonnaden, die nun zum Schauplatz tumultartiger Szenen wurden.
Als die Polizisten Henri Fournier aus seiner Druckerei führten und zu einem Nebenausgang des Palais Royal eskortieren wollten, wich die Menge nicht aus. Drohungen wurden laut, und fast schien es so, als wollten sich Männer wie Horace Blancourt auf die kleine Gruppe Polizisten stürzen und ihnen an den Kragen gehen. Es war Henri Fournier, der sie zur Besonnenheit mahnte und dadurch wohl ein Handgemenge vermied, das einen blutigen Ausgang genommen hätte.
Eine Gasse öffnete sich für die verängstigt dreinblickenden Uniformierten, die ihre Säbel blankgezogen hatten und offenbar jeden Moment damit rechneten, sich gegen einen wild gewordenen Mob zur Wehr setzen zu müssen, um nicht gelyncht zu werden.
Der gefürchtete Ausbruch gewaltsamer Angriffe auf die Polizisten blieb aus. Doch der Menschenandrang im Palais Royal hielt auch nach der Verhaftung an. Kaum waren die Polizisten mit Henri Fournier verschwunden, als sich die angestaute Wut der Menge Luft verschaffte und die ersten Leuchten unter Stockschlägen zerbarsten.
»Da drüben ist er!«, rief Jana. Sie hatte sich mit Tobias und Sadik etwas abseits gehalten und war kurzerhand auf einen Tisch gestiegen um den Journalisten nicht aus den Augen zu verlieren. Sadik und Tobias hatten es ihr nachgemacht. Doch sie waren nicht die Einzigen, die auf Tischen und Stühlen standen, um besser sehen zu können, was sich weiter vorn abspielte.
Sadik schlug Tobias kurz auf die Schulter. »Schnappen wir ihn uns! Dann nichts wie weg von hier. Es wird nicht lange dauern, bis Soldaten aufmarschieren. Und dann kann es hier verteufelt ungemütlich werden!«
Zu dritt gelang es ihnen, Horace Blancourt regelrecht in den Eingang eines Modegeschäftes abzudrängen. Aus Angst vor weiteren Ausschreitungen hatte sein Besitzer die Tür schon verriegelt.
Verwirrt blickte der Journalist von einem zum anderen. »Also diese Art verbitte ich mir! Ich muss jetzt unverzüglich zu meinen Freunden und mich mit ihnen besprechen!«
»Das wird Ihnen auch niemand verwehren, Monsieur Blancourt«, versicherte Sadik und schmierte ihm Honig ums Maul um ihn zugänglicher zu stimmen. »Ein Mann von Ihren außerordentlichen Qualitäten wird jetzt ohne Zweifel dringend gebraucht. Wir zählen zu Ihren Bewunderern. Ihre Rede im Café du Caveau war so mitreißend und mutig, wie ich noch keine gehört habe. Würde mich nicht wundern, wenn Sie damit Geschichte machen werden!«
Der grimmige Ausdruck verschwand von Blancourts Gesicht. Er lächelte geschmeichelt. »Finden Sie wirklich, dass ich so gut war?«
Sadik nickte ernst. »Sie waren phantastisch! Monsieur Roland hat wahrlich nicht übertrieben, als er Sie in den höchsten Tönen lobte und versicherte, dass Sie ein Mann von außergewöhnlichem Format seien.«
Stolz schwellte die Brust von Horace Blancourt. »Jaja, der gute Roland. Wir haben uns schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Ich habe da seit einiger Zeit eine Idee für eine Artikelserie, die genau das Richtige für den Patriote wäre …«
»Er wird sich bestimmt freuen, wenn Sie ihn wieder aufsuchen würden«, sagte Sadik und bog das Gespräch geschickt in die richtige Richtung. »Aber im Moment wäre er Ihnen zu größtem Dank verpflichtet, wenn Sie ihm dabei helfen würden, den Koran wiederzubeschaffen.«
»Ach ja, der Koran. Wie ich schon sagte, ich habe ihn leider verschenkt. An eine Dame, mit der ich recht gut … äh, befreundet war.« Es war ihm sichtlich peinlich.
»Das war auch Ihr
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